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Holzgerlingen und seine Ofenwandplättchen

Quelle: Zur Geschichte der Keramik – unter besonderer Berücksichtigung der Holzgerlinger Ofenwandplättchen, Beiträge aus dem Heimatmuseum der Stadt Holzgerlingen, Holzgerlingen 2000, S. 18-22

Autorin: Susanne Schmaltz
Die sog. Schwäbischen Ofenwandplättchen sind mit ihren Sprüchen und Bildern ganz besondere Zeugen vergangener Lebensart: Hier hielten die Hafner ihre Wünsche und Hoffnungen fest, aber auch derbe Sprüche und respektlose Witze, oft über die Ehefrauen und Schwiegermütter. Manche Plättchen kommentieren das Zeitgeschehen, andere bilden die Pflanzen- und Tierwelt ab: Sie sind sehr unterschiedlich und einfallsreich gestaltet.

Wand mit Ofenwandplättchen

Bild: Wand mit Originalplättchen im Heimatmuseum Holzgerlingen. (Foto: Klaus Philippscheck)

Die Plättchen entstanden in einem recht begrenzten Raum im nördlichen Schwarzwald, im Hecken- und Strohgäu und im Schönbuch in einzelnen Zentren. Eines dieser Zentren war Holzgerlingen. Die Plättchen hatten zwar auch einen praktischen Zweck, ihre aufwendige und liebevolle Gestaltung zeigt aber, dass sich ihre Schöpfer und Besitzer vor allem an ihnen freuten. Heute sind die Plättchen wegen ihrer Schönheit und Seltenheit begehrte Sammlerobjekte.

Bemalte Wandfliesen finden sich zuerst in Holland, um 1630: Die sog. "Delfter Kacheln" waren weiße Fayencefliesen mit zierlicher blauvioletter Bemalung. Von den Niederlanden ausgehend breiteten sich bemalte Fliesen am Rhein entlang nach Süden hin aus. Warum sie aber seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts auch in Schwaben hergestellt wurden, liegt zum Teil an der damaligen Bauweise und Ofentechnik: Die üblichen großen, gusseisernen Öfen erhitzten sich unter Umständen so stark, dass die Balken der Fachwerkhäuser ankohlten. Seit dem 16. Jahrhundert erließen deswegen die württembergischen Herzöge immer wieder Brandschutzverordnungen, die einen Schutz des Fußbodens zum Beispiel durch tönerne Fußbodenkacheln und der Mauer anordneten. Die Plättchen erfüllten eben diesen Zweck: Sie isolierten die Balken gegen den Ofen.

Ofenecke

Bild: Nachgebaute typische Ofenecke im Holzgerlinger Museum. (Foto: Klaus Philippscheck)

Nun waren praktische Überlegungen aber nicht der einzige Zweck für ihre Herstellung: Zur Isolierung hätten auch einfachere Fliesen genügt. Die Bemalung der Fliesen zeigt, dass die Ofenwände vor allem als Schmuck und zur Repräsentation beliebt waren.

Anders als die anderen Hafnererzeugnisse mussten die Ofenwandplättchen gesondert bestellt werden. Oft hat der Hafner neben der Jahreszahl und seinem eigenen Namen auch die Namen der Besitzer und deren Beruf auf einem Plättchen vermerkt.

Zwar wurden in sehr vielen Ortschaften Ofenwandplättchen gefertigt, doch kamen die meisten Plättchen aus Heimsheim, Simmozheim, Neubulach, Wildberg - und Holzgerlingen. In den einzelnen Werkstätten entwickelten die Töpfer ganz eigene Stilrichtungen, die heute eine Zuweisung der Plättchen zu den einzelnen Handwerksbetrieben ermöglichen.

Die Plättchen wurden von quaderförmigen Tonblöcken geschnitten, angetrocknet und mit dem Anguss der sog. Engobe, versehen. Darauf malten und schrieben die Hafner in "Schlickermalerei" mit dem sog. Malhörnchen, einem Tontöpfchen mit einem Federkiel, aus dem die Farbe herausfloß. Der Name "Malhörnchen" stammt von dem älteren Werkzeug, einem Kuhhorn, an dessen Spitze der Federkiel saß. Die Farben bestanden aus braunen, weißen und roten Tonen, die zum Teil importiert werden mussten. Kupferasche diente zur Herstellung von grüner, Eisenoxyd für gelbe Farbtöne. Mit Braunstein erreichte man braune bis schwarze Färbungen. Blau wurde in dieser Region kaum verwendet, obwohl die nötigen Kobaltvorkommen vorhanden waren. Da die Farben stetig aus dem Malhörnchen herausflossen, mussten die Töpfer schnell und mit leichter Hand malen und schreiben.

Das älteste bekannte Schwäbische Ofenwandplättchen stammt aus Heimsheim: Die Signatur besagt, dass es 1725 vom Hafner Jacob Widmann hergestellt wurde. Die ältesten bekannten Holzgerlinger Plättchen fertigte Johann Caspar Schmid fast 50 Jahre später, 1772. Diese Wand wurde bei einem Brand 1945 zerstört.

Die Wände der Familien Schmid und Kipfer
Die Plättchen der Hafner Schmid sind meist gelbgrundig mit einer schmalen braunen Einfassung, was die Wände insgesamt hell und freundlich wirken lässt. Bekannt sind jedoch auch einige schwarz- und grüngrundige Wände aus der Werkstatt Schmid. Die Schrift ist braun, der bildliche Schmuck mehrfarbig: grün, weiß, rot, ocker und braun.

Die Motive der Plättchen bezeichnete Karl Hillenbrand als "Volkskunst schlechthin". Er stellt bei anderen Hafnern deutliche Beeinflussungen durch die Kunst des Rokoko oder durch die zeitgenössische Erbauungsliteratur fest, nicht aber bei den Schmids:
"Die Blumen sind hervorragend stilisiert, die Szenen mit Menschen und Tieren lebhaft und eindrucksvoll. Bild und begleitende Schrift stellen in Form und Inhalt eine vollkommenen Einheit dar. Blumenmuster werden frei oder in geometrischen Anordnungen dargestellt. Jagdszenen tauchen auf, der springende Hirsch und das Wildschwein, Reiter und Jäger. Alles ist zügig und frei hingemalt."1*
Freilich ist auch diese "Volkskunst" nicht ohne Impulse von allgemeinen Entwicklungen möglich: Zum Beispiel in der Tracht, die die gemalten Menschen tragen, erkennt man Einflüsse der zeitgenössischen Mode.

Bereits in den 1770ern stellt Kaspar Schmid (1726 - 1798) Ofenwandplättchen her. Die nachfolgenden Hafner Schmid fertigen weitere Wände, die Qualität der Plättchen nimmt jedoch im Lauf der Generationen ab: Die Darstellungen verlieren an Frische und Eleganz.

Ehemaliges Wohnhaus und Werkstatt der Familie Kipfer

Bild rechts: Ehemaliges Wohnhaus und Werkstatt der Familie Kipfer im Stäuchle in Holzgerlingen (Foto: Heimatmuseum Holzgerlingen)

Die Plättchen der Familie Kipfer erinnern in Farbgebung und Motiven an die der Familie Schmid: Sicher waren sie von diesen andern Holzgerlinger Hafnern, die schon länger Ofenwandplättchen fertigten, beeinflusst. Ihre Malweise ist jedoch manchmal genauer, Hillenbrand meint "manchmal fast ein wenig pedantisch" und die Plättchen kleiner.

Typisches Wandplättchen aus der Schmidschen Werkstatt

Bild links: Typisches Wandplättchen aus der Schmidschen Werkstatt. Text: „Könt ich dir ins Herze schauen wollt ich deinen worten trauen“. (Foto: Klaus Philippscheck)

Die Sprüche auf den Plättchen sind zum großen Teil dieselben, die auch die Schmids - und andere Hafner - kannten. Eindeutig zuordnen lassen sie sich, weil die Kipfers ihre Plättchen oft mit drei Punkten hinter dem Spruch signierten.

"Ich bin ein Haffner, sitz hinder der scheiben, vertreib mein Zeit mit jungfern und Weiber." So beschreibt Caspar Schmid auf einem Ofenwandplättchen 1772 sein Leben. Ganz so lustig wird es für die Holzgerlinger Töpfer jedoch nicht immer gewesen sein: Das Ortssippenbuch berichtet von hoher Kindersterblichkeit, von frühem Tod und von Auswanderern in den Hafnersfamilien. (...)

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Dr. Karl Hillenbrand: Schwäbische Ofenwandplättchen, in: Der Museumsfreund, Heft 12/13, 1971, S. 62

Der Text wurde gekürzt.

Mit freundlicher Genehmigung des Heimatmuseums/Vereins für Heimatgeschichte e.V. Holzgerlingen.

Textanhang
Dr. Karl Hillenbrand: Die Hafnersippen Schmid und Kipfer in Holzgerlingen, aus: „Der Museumsfreund“, Heft 12/13, 1971, hrsg. vom Württembergischen Museumsverband e.V. Stuttgart.

Die anlässlich der Ausstellung „Aus Erd’ bin ich gemacht“ erschienene Broschüre „Zur Geschichte der Keramik – unter besonderer Berücksichtigung der Holzgerlinger Ofenwandplättchen“, kann im Heimatmuseum Holzgerlingen zum Preis von 5,00 € erworben werden.

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