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Vergewaltigungen beim Einmarsch der Franzosen im ganzen Kreis Böblingen

Die Befreier kamen als Freier

Quelle: Das 20. Jahrhundert im Spiegel der Zeit. Der Kreis Böblingen im Rückblick von 100 Jahren. Röhm Verlag, Sindelfingen 1999, S. 107

Als die französischen Truppen In den Kreis Böblingen einmarschierten, kamen sie als Befreier. Für viele Frauen und Mädchen bedeutete das Kriegsende jedoch keine Befreiung. Massenhafte Vergewaltigungen gehörten beim Einmarsch ebenso zur Tagesordnung wie Plünderungen.

Am Nachmittag des 20. April hatten die Franzosen Magstadt besetzt. Dort quartierten sie sich für die Nacht ein, um am nächsten Morgen nach Sindelfingen weiterzumarschieren. Der Magstadter Ortspfarrer hat 1948 in einem Bericht die Ereignisse dieses Abends festgehalten.

„Was jedoch in jener Nacht geschah, kann keine Feder zu Papier bringen. Vor allem hatten unsere Frauen und Mädchen viel durchzumachen und zu leiden. Die Marokkaner, die vorher in Schafhausen sich in einer Schnapsbrennerei anscheinend des Guten etwas zu viel taten, waren teils schlimmer als die Tiere. Zirka 260 Vergewaltigungen - medizinisch festgestellt - angefangen bei Konfirmandinnen bis hin zur ältesten Frau werden stets neben allem anderen diesen Tag zum furchtbarsten machen, was die Gemeindemitglieder leiblich und seelisch erdulden mußten."

Vergeblich versuchte der Pfarrer, den Besatzertruppen Einhalt zu gebieten. „Selbst im Pfarrhaus konnte ich es bei allem Hinstehen und Einsatz meiner ganzen Person nicht verhindern, dass von denen, die Schutz begehrten und im Keller Zuflucht suchten, das schreckliche Erleben durchmachen mussten." Nicht überall kam es zu solch massenhaften Übergriffen. Manche Dörfer, durch die die Besatzertruppen zunächst nur durchzogen, blieben von derlei Exzessen verschont. Doch Magstadt war kein Einzelfall.

In den Berichten an das Statistische Landesamt von 1948 sind eine Vielzahl von Fällen festgehalten. Aus Böblingen wurden „weit über 50 Vergewaltigungen" gemeldet. In Ehningen „hausten in den Wohnungen die weißen und braunen Franzosen in der übelsten Weise". Aus Waldenbuch kamen viele Frauen nach Vergewaltigungen „zur Behandlung nach Tübingen". In Deckenpfronn wurden Frauen drei bis achtzehn Mal vergewaltigt.

Vor den Augen der Kinder
Eine Frau, die in einem abgelegenen Haus bei Rohrau wohnte, wurde vor den Augen ihrer kleinen Kinder missbraucht. Weitere Schändungen sind aus Merklingen (100 bis 200 Fälle) Gärtringen, Hildrizhausen, Holzgerlingen, Maichingen, Nufringen, Steinenbronn, Weil im Schönbuch und Malmsheim bekannt.

Nicht in allen Berichten wird mit derselben Offenheit über die Ereignisse berichtet wie in Magstadt. In Maichingen durchlebte die weibliche Bevölkerung des westlichen Dorfteils „einige schwere Stunden". In Sindelfingen gab es angeblich „außer den üblichen, mit dem Einmarsch farbiger Truppen verbundenen Begleiterscheinungen keine besonderen Vorkommnisse." Wie diese üblichen Begleiterscheinungen aussahen, schildert eine Bewohnerin der Goldberg-Siedlung. Beim Einmarsch hatten deutsche Flakhelfer noch von der Goldberg-Schule auf die französische Truppen geschossen: „Daraufhin bekamen die „Marokkaner“ sturmfrei. Auf dem Goldberg gewaltig, zum Teil mehrfach“. Zu brutalen Vergewaltigungen kam es auch an den russischen Zwangsarbeiterinnen der Suevia.

Häufig wird in den Berichten geschildert, wie französische Kriegsgefangene die deutschen Familien beschützten, bei denen sie untergebracht waren - aus Dankbarkeit für eine gute Behandlung.

Meist unterbanden die französischen Kommandanten das Marodieren ihrer Truppen nach wenigen Stunden und drohten bei weiteren Übergriffen mit harten Strafen. Doch die kurze Zeit reichte den siegestrunkenen Soldaten meist aus, um ihr unheilvolles Tun zu vollenden.

Mit freundlicher Genehmigung der Sindelfinger Zeitung / Böblinger Zeitung

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