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Vom herzoglichen Landsitz zum landwirtschaftlichen Betrieb

Das Seehaus bei Eltingen

Quelle: Notizen zum „Seehof“ an der Solitude-Rennstrecke – Gemarkung Leonberg; maschinenschriftliches Dokument, Landratsamt Böblingen/Kreisarchiv vom 01. 03. 1977, S. 1-7. (Kopie im Stadtarchiv Leonberg)

Autor: Dr. Fritz Heimberger
Heutige Ansicht des Seehauses

Bild: Heutige Ansicht des Seehauses. (Foto: Stadtarchiv Leonberg)

Von der Burg Glemseck zum Seehaus
Eine wohl nicht erst mittelalterliche Heerstraße ging von Nürtingen über Bernhausen nach Vaihingen, und von dort über den Katzenbacher Hof nach Eltingen. Zur Sicherung dieser Straße entstand um die Mitte des 12. Jahrhunderts die Burg „Glemseck“. Im Laufe der Zeit trat die strategische Bedeutung der Burgen über dem Glemstal zurück, und sie wurden zu Sitzen der Württembergischen Forstverwaltung. Eine ähnlich Entwicklung ist beispielsweise auch in Böblingen und Waldenbuch zu sehen.

Eltingen war schon 1350 Sitz eines Waldhüters. An dem seit dem 15. Jahrhundert erwähnten „Eltinger See“ beim Glemseck (1452 einer der Grenzpunkte des Jagdbezirks von Gräfin Mechthild) hatte 1529 der „See- und Forstknecht“ für eine der Huten1* des Leonberger Forsts seine Behausung. Er verwaltete neben dem See auch das Fischwasser in der Glems. Wurde der See für die Herrschaft abgefischt, so mussten die Eltinger Frondienste verrichten. „Seehaus“ und Burg „Glemseck“ gehörten ursprünglich zusammen; anstelle der verlassenen Höhenburg (bereits um 1350 ein abgegangener Burgstall „im Elend“) wurde später ein Verwaltungssitz im Tale angelegt.

Der Eltinger Stausee im Jahre 1596

Bild: Der Eltinger Stausee im Jahre 1596 aus dem „Seen-Buch“ von Jakob Ramminger. Am linken Seeufer sind unten die Gebäude des damaligen Seehauses eingezeichnet. Der Text lautet: „Der Seeh zu Ölltingen-Leonberger Vogtei oder Ampts hällt innsoweit das wasser geeht Vierzig drey Vierthel. A. Das Seehaus sampt der dazugehörigen hofraitin B. Dr Vischgrouben ... Marckstain unterhalb des Seehdambs. Stain leonberger und Görlinger Gmaind schaydend.“ (Bild: Landesmedienzentrum BW/Stuttgart - LMZ002930) – Klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

Landsitz für die Witwe des Herzogs
Eine neue Epoche begann für das Seehaus als Sibylla von Anhalt in den Jahren 1608 – 1614 ihren Witwensitz im Leonberger Schloss hatte. Während dort 1609 ein Lustgarten angelegt wurde, entstand gleichzeitig am Eltinger See ein Landsitz für die Herzogin, verbunden mit einem Forsthaus. Der berühmte Baumeister Heinrich Schickardt erbaute mit dem Zimmermeister Mattheis ein hufeisenförmiges Gebäude: Links, im Westen, das Forsthaus, im Mittelbau Stallungen, rechts vorspringend das herrschaftliche Wohngebäude über dem Pferdestall. Auf die Insel im See sollte ein dreistöckiger Turm mit balustradengeschmückter Altane kommen. Da hier im 18. Jahrhundert eine Schießkanzel für die Hirschjagd stand, ist die Erhöhung heute noch in den Wiesen zu erkennen.

Der Eltinger See verschwindet
Der Eltinger See ging im 30jährigen Krieg ab. An seiner Stelle breiten sich jetzt im Besitz der Herrschaft befindliche Wiesen aus. Die Fläche des alten Sees besaß nach wie vor der „Forstknecht“ (Revierförster) auf dem Seehaus. Das Übrige wurde 1654 unter die Dörfer des Amtes Leonberg zum fronweisen Heuen und Öhmden2* verteilt.

Der Seehof 1681 auf der Forstkarte von Andreas Kieser

Bild: Der Seehof 1681 auf der Forstkarte von Andreas Kieser. Der Eltinger See war damals bereits verschwunden („abgegangen“). (Bild: Landesmedienzentrum BW/Stuttgart)

Um 1680 verlegte die Regierung den Sitz des Försters nach Eltingen und richtete im Seehaus eine „Melkerei“ (Viehhaus mit Weide) ein. Das Seehaus bestand immer noch aus dem Herrschaftsbau der Schickardt’schen Anlage und aus dem einstigen Forsthaus, in dem jetzt der Viehknecht wohnte. Der Mittelteil mit den Stallungen war nicht voll ausgebaut.

Der herrschaftliche Landsitz wird zum landwirtschaftlichen Betrieb
Es wurde üblich, den Seehof jahrweise zu verpachten. 1785 brannte die Heu- und Viehscheuer auf den Seewiesen ab. Zu diesem Zeitpunkt stand das alte „Meierei-Hauß“ (früheres Forsthaus) bereits ganz leer und die Pächter wohnten schon viele Jahre in dem Herrschaftsbau oder „Schlößlein“. Der herrschaftliche Landsitz war also einem rein landwirtschaftlichen Betrieb gewichen.

Die Behörden kamen nun überein, die „sehr baufällige“ Meierei-Wohnung abzubrechen. Das noch brauchbare Material sollte zum Bau eines neuen „Viehhauses“ verwandt werden. So sparte man sich Baukosten. Der Neubau wurde 1786 durch „tüchtige Handwerksleute“ errichtet. (...)

Im Dezember 1795 brannte das neu errichtete „Viehhaus“ mit Scheuer wiederum ab. Die Frage, wie der Pächter Oßwald zu entschädigen sei, führte zu Gedanken über die Zukunft des Gutes. Ein „Pro Memoria“ des Landbaumeisters Etzel vom April 1796 zeigte die entsprechenden baulichen Möglichkeiten. Ein gleichzeitiger Bericht des Kammerjunkers, Hof- und Domänenrates von Breitschwert kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Der Herzog genehmigte das Projekt. Dann behinderte der 1. Koalitionskrieg zwischen den europäischen Mächten und Frankreich den Fortgang des Bauprojekts. Unsere engere Heimat wurde zum Operationsgebiet. Am 18. Juli 1796 teilte der Kellereiamtsverweser dem Herzog vom Seehaus mit, während er dies schreibe, kämen „auf dem hiesigen Haberfeld die Kayserlichen und Franzosen aneinander“.

Nach Vollzug der Baumaßnahmen reihte sich an den alten Schickardt’schen Ostbau ein ebenfalls auf ihn zurückgehender, nunmehr aufgestockter „Mittelbau“. Der einstige „Westbau“ bestand nicht mehr.

Landwirtschaftliches Mustergut
Für den Seehof wurde die Anwendung rationellerer Methoden in der Landwirtschaft entscheidend. Der damalige Pächter, der Maulbronner Oberamtmann Hofrat Rümmelin, besserte den sehr heruntergekommenen Besitz nach „Grundsätzen einer guten Landwirtschaft“ auf. So konnte trotz Aufhebung der für den umliegenden Wald schädlichen Weide der Wert des Gutes derart gehoben werden, dass der Pachtzins für die Periode 1799/21808 von 900 auf 1220 Gulden stieg.

Das Seehaus in Privatbesitz
Das Gut kam nun ganz in Privatbesitz: 1833 verkaufte es der württembergische Staat mit Einschluss des Fischwassers um 18.270 Gulden an die Gemeinde Eltingen. Von dieser gelangte es 1845 an den Freiherren von Röder. Bisher hatte der Seehof auf Eltinger Markung gelegen. Zwischen Eltingen und Leonberg bestanden jedoch von altersher viele Überschneidungen, u.a. überschnitten sich die gegenseitigen Markungs- und Steuergrenzen. Diese sollten jetzt in Übereinstimmung gebracht werden. Nach langen Verhandlungen kam 1859 ein Vertrag zustande, nach welchem Leonberg auf sein Steuerrecht in Eltingen verzichtete, dafür aber u.a. einen Zuwachs von 2 Stücken im Umfang von 1446 1/8 Morgen mit Steuerkapital von 34.045 Gulden erhielt. In diesem Gebiet lagen die Klausenmühle, die Schweizermühle, der Rappenhof und das Seehaus.

1906 kam der Seehof in den Besitz von Frau Fischer-Ihingen, geb. von Röder. Theodor Fischer plante vor dem 1. Weltkrieg einen großen Neubau, dessen Entwürfe beim Landesdenkmalamt liegen sollen. Das Bauvorhaben unterblieb jedoch. Auf dem einstigen Seedamm entstand 1907, von Scheytt erbaut, das heutige Kurhaus Glemseck.

Um 1930 gehörte zum adligen Fideikomiss3* von Vischer-Ihingen auf dem Seehof 53 ha Land. Ein neuer Westflügel gab 1933 dem Gesamtkomplex den Anblick der hufeisenförmigen Schickardt’schen Anlage zurück.

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Der Forst war seit dem 15. Jh. in mehrere Forstbezirke, sog. „Huten“, eingeteilt, die von Forstknechten betreut wurden.

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Öhmd: zweiter Grasschnitt nach der Heuernte

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Unveräußerliches und unteilbares Familienvermögen

Der Text wurde gekürzt.

Mit freundlicher Genehmigung der Familie Heimberger.

Das Seehaus heute
Nach dem 2. Weltkrieg gingen die Gebäude des Seehauses einige Zeit in die Hände des ADAC über. Seit 2003 ist im Seehaus ein Projekt des offenen Jugendstrafvollzugs im Rahmen des „Projektes Chance“ untergebracht. (red.)

Ehem. Eltinger RathazsDas Seehaus und das Eltinger Rathaus
Nachdem die Gemeinde Eltingen das Gut Seehaus 1833 vom württembergischen Staat erworben hatte, verkaufte sie es bereits 1840 wieder. Der Erlös floss u.a. in den Bau eines neuen, repräsentativen Rathauses (Carl-Schmincke-Straße 37). Es wurde 1841 auf dem Platz des abgebrochenen Vorgängerbaus nach Plänen von Werkmeister Haueisen/Leonberg in klassizistischem Stil erbaut. Die Baukosten betrugen 10.303 Gulden. Heute befindet sich hier das Leonberger Stadtarchiv.


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