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Das Leonberger Schloss als Witwensitz

Quelle: „Viele verwischte Spuren und ein Pomeranzengarten – Fürstliche Witwensitze in Württemberg“, in: Schlösser Baden-Württemberg 1/2004, S. 32

Autor: Michael Wenger
Bereits im Heiratsvertrag eines Fürstenpaares wurde in der Regel ein sog. „Widdum“ festgelegt, das nach dem Tod des Gatten die Versorgung der Witwe sicherstellen sollte. Zumeist lagen diese Güter abseits der Residenz. Böblingen diente in seiner Geschichte u.a. Gräfin Mechthild (1419 – 1482) und Barbara Gonzaga (1455-1503) als Witwensitz. In ihrer Ausgabe 1/2004 widmete die Zeitschrift „Schlösser Baden-Württemberg“ den fürstlichen Witwensitzen einen längeren Beitrag. Lesen Sie daraus im folgenden den Abschnitt zum Leonberger Schloss:

Bild rechts: Sybilla von Anhalt (1564-1614), Witwe Herzog Friedrichs I. Sie hatte mit Herzog Friedrich 15 Kinder. Laut Landeshistoriker Hansmartin Decker-Hauff soll ihre Ehe „höchst unglücklich“ gewesen sein. (Foto: Staatl. Schlösser und Gärten/Oberfinanzdirektion Stuttgart)

Leonberg bleibt wohl für immer mit einer Schöpfung Sybillas von Anhalt, der Witwe Herzog Friedrichs I., verbunden: mit dem weitberühmten Pomeranzengarten. Das Schloss hatte Herzog Christoph nach Plänen Aberlin Tretschs durch Silvester Berwart 1560 - 70 weitgehend neu errichten lassen. Christoph überzog sein wiedererstarktes Land mit Schlössern, um Macht und Präsenz zu demonstrieren. Er hatte das mächtige, äußerlich aber eher unscheinbare Bauwerk im Inneren ansprechend mit Kassettendecken und architektonisch sowie ornamental gestalteten Portalen ausgestalten lassen. Er nutzte es bis zu seinem Tod für allerlei Lustbarkeiten, vorwiegend aber als Jagdabsteige.

Bild links: Südfront des Leonberger Schlosses mit rekonstruiertem Pomeranzengarten

Sybilla hatte 1608 also ein durchaus ansehnliches Erbe angetreten. 1609 wurde das Innere des Schlosses prächtiger als die Witwensitze zuvor bereitet. Ihr Gemach war mit schwarzem Samt ausgekleidet, der Baldachin samt dem zugehörigen Sessel in gleicher Weise bezogen. Für ihren ältesten Sohn, Herzog Johann Friedrich, hatte sie ein Gemach eingerichtet, das mit Wandbehängen, Bett- und Fenstervorhängen aus rotem Taft ausgestattet war. Für den Zweitältesten, Ludwig Friedrich, wählte sie die Farbe Grün. Da sie hohe Gäste empfangen können wollte, ließ sie ein aufwändiges Gastquartier anlegen, das mit blauem Damast ausgekleidet war und eine vergoldete Ledertapete besaß. In der Tafelstube präsentierte sie unter einem schwarzen Samthimmel das Allianzwappen Württemberg-Anhalt. Dies alles zeugt von hohem Selbstbewusstsein der gebildeten und als Mitregentin eingesetzten Witwe.

Bild rechts: Das Doppelwappen Württemberg/Anhalt ließ Herzogin Sybilla ursprünglich an der alten Kelter anbringen. Nach deren Abbruch wurde das Wappen im Innenhof des Leonberger Schlosses in den Bau des Finanzamts eingelassen - klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

1609 beauftragte sie Heinrich Schickardt mit der Anlegung eines Lustgartens. Bis 1613 kaufte man weiteres Gelände für einen Baum- und Küchengarten. In dieser Zeit errichtete man die Altane für den als Terrassenanlage italienischer Provenienz gestalteten „Pomeranzengarten". Seinen ursprünglichen Idealplan passte Schickhardt den tatsächlichen Gegebenheiten an, indem er die in der Renaissance übliche Quadrataufteilung zu querrechteckigen Beeten abänderte. Während er die Beeteinteilung (in gestreckter Form) und die Lusthäuschen an den Kanten beibehielt, zog er die beiden vorgesehenen, mittigen Wasserbecken zu einer sechseckigen Brunnenanlage mit Obelisk zusammen. Seit einigen Jahren kann die rekonstruierte Anlage wieder besichtigt werden.

Noch zwei Mal sollte Leonberg als Witwensitz fungieren: Anna Sabina von Holstein-Sonderburg, Witwe des Herzog-Administrators Julius Friedrich, konnte 1649 - 59, Magdalena-Sibylla von Hessen-Darmstadt, Witwe Herzog Wilhelm Ludwigs, sollte 1677 - 1712 das Schloss nutzen. Immer wieder als Jagdquartier verwendet, beherbergt der Bau seit dem späten 18. Jahrhundert vorwiegend Ämter und Beamtenwohnungen.

Auszugsweise Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift Schlösser Baden-Württemberg.


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Literaturhinweis:
Hansmartin Decker-Hauff
Das Leonberger Schloss als Witwensitz
In: Leonberg – eine altwürttembergische Stadt und ihre Gemeinden im Wandel der Geschichte
Stuttgart 1992, S. 121-125

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