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Höfische Jagd und bäuerliche Not

Das große fürstliche Hirschwasserjagen im Leonberger Forst 1748

Quelle: Aus Schönbuch und Gäu. Beilage der Kreiszeitung Böblinger Bote, 2-3/1995

Autorin: Herma Klar

Bild: Der Kupferstich des Augsburger Stechers Jakob Wangner zeigt das große fürstliche Hirschwasserjagen im Leonberger Forst am 8. Oktober 1748. Er sollte ein Buch von W. F. Schönhaar über die Hochzeitsfeierlichkeiten Herzog Carl Eugens illustrieren. Ob Wangner selbst Skizzen vor Ort anfertigte oder nach Augenzeugenberichten arbeitete, ist nicht bekannt (Bild: Stadtarchiv Leonberg) - klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

Württemberg im 18. Jahrhundert
Das 18. Jahrhundert war - auch in Württemberg - eine Zeit höfischer Prachtentfaltung. ... 1744 trat Herzog Carl Eugen die Regierung an. Die schon zur Zeit seiner Vorgänger aufwendige Hofhaltung erhielt nun europäischen Rang. ... Im Gegensatz zu seinem kulturellen Rang erreichte die politische Bedeutung Württembergs kein europäisches Format. Dennoch war das Thema fast aller künstlerischen Darstellungen die Verherrlichung des Staates und seines Herrschers. ...

Jagdrecht ist Herrenrecht
Die Adligen, die das Grundrecht besaßen, hatten auch das Jagdrecht. Bauern und Bürger waren davon ausgeschlossen. Entstanden ist diese Jagdgerechtigkeit im frühen Mittelalter. Der Adel lieh Teile seines Landeigentums an abhängige Bauern zur Bewirtschaftung aus. Er erhielt als Gegenleistung Abgaben und Dienste. Dafür gewährten ihm die Herren "Schutz und Schirm". Damals bedeutete dies auch eine Jagdpflicht der Herren: Sie mussten die Bauern vor Raubtieren und ihre Felder vor schädlichem Wild bewahren.

Bereits im Hoch- und Spätmittelalter löste sich diese sinnvolle Verpflichtung von Rechten und Pflichten. Der Adel missbrauchte das Jagdprivileg und forderte neben anderen Diensten auch Jagdfronen von den Bauern.

Diese Dienste konnten von den Feudalherren jederzeit und beliebig lange gefordert werden. Die Bauern empfanden die Jagdfronen deshalb als schwere Last. Dennoch hielt der Adel rücksichtslos am Jagdrecht fest. ...

Der erste große Widerstand gegen die Jagdprivilegien formierte sich im späten 15. und frühen 16. Jahrhundert. Während der Bauernaufstände gehörte die Forderung nach Freigabe der Jagd und nach Begrenzung der Fronen zu den Hauptzielen der Bewegung. Nach der Niederlage der Aufständischen blieb für weitere 300 Jahre alles beim alten.

Durch die Jagdprivilegien wurde ein "Klassengesetz" mit besonderer Schärfe ins Bewusstsein gebracht: die Herren und ihre Untertanen. ... Erst durch die französische Revolution wurde eine Änderung erreicht. ... Einige Milderungen der Jagdgesetze wurden eingeleitet. Doch erst im Verlauf der Revolution von 1848 wurden die Jagdprivilegien endgültig abgeschafft.

Festinjagen bei Leonberg
Am 8. Oktober 1748 wurde im Leonberger Forst ein großes Jagdfest abgehalten. Anlass war die Vermählung des Herzogs Carl Eugen mit Elisabeth Friederike von Brandenburg-Bayreuth. ...

Als Ort des Geschehens kommt nur der Wasserbachsee beim Silberberg in Frage. Spuren der ehemaligen Anlage sind noch heute im Gelände sichtbar.

Auf einem Kupferstich von Jakob Wangner ist zu ersehen, dass für die Jagdbelustigung umfangreiche Vorbereitungen nötig gewesen waren: Durch Stauen des Baches hatte man einen künstlichen See angelegt und an den Hängen des Tales drei Terrassen ausgehoben. Die gesamte Fläche wurde von künstlichen Aufbauten eingegrenzt. Zweck dieser Anlage war, das zusammengetriebene Wild auf eine möglichst überraschende Art vor die Augen und Büchsen der fürstlichen Gesellschaft gelangen zu lassen.

Zwei prächtig bemalte Kastelle waren errichtet worden. Zwischen diesen befand sich eine Triumphpforte, die durch vier kleine Bogengänge mit den Kastellen rechts und links verbunden war. Der Triumphpforte gegenüber, am anderen Seeufer, befand sich der Jagdschirm, der 50 Personen Platz bot. Diese Anlage war der prunkvolle Hintergrund für ein blutiges Schauspiel.

Es begann mit dem Öffnen des Wildgeheges. Etwa 800 Hirsche, Rehe und Wildschweine rannten nun ahnungslos unter den Bögen hindurch und stürzten eine steile Böschung hinab in den durch eine Hecke verdeckten See.

"Das Gewild kame durch ... verschiedene wohlausgezierte Öffnungen haufenweise heraus, und wurde daselbst von einer Höhe zu 14 Schuh in das Wasser herab gesprengt, und alsbald unter währendem Schwimmen, aus dem Schirm heraus von anwesenden Hohen Herrschaften und anderen Hohen Personen geschossen. Die Hohe Jagdgesellschaft fand hiebey das erwünschte Vergnügen. ..." Bis zum Abend erlegte die Festgesellschaft etwa 400 Tiere. Das überlebende Wild wurde in die Freiheit entlassen. Den krönenden Abschluss bildete ein großartiges Festbankett im Schloss zu Ludwigsburg.

Die Menschen der Barockzeit hatten ein anderes Verhältnis zur Jagd. Die Jagd war kein Sport im heutigen Sinn, sondern eine wichtige Lustbarkeit des Hofes. Absolute Herrschaft wurde öffentlich demonstriert. Vorgeführt werden sollte das Beherrschen der Natur, die Entscheidungsgewalt über Leben und Tod, der Wildreichtum des Landes und das alleinige Besitzrecht an den wilden Tieren. ...

Bild: Höfische Jagdlust im Blickwinkel des 19. Jahrhunderts: Louis Brauns "Falknerin zu Pferd", 1870, Öl/Pappe, 21x25cm (Galerie der Stadt Sindelfingen, Sammlung Lütze II)

Höfische Jagdlust
Die Jagd stellte einen wesentlichen Teil des adeligen Lebens dar. Als wichtigstes Argument für die Bedeutung der herrschaftlichen Jagd wird ihr Wert als "Vorspiel und Spiegel des Krieges" angeführt. ... Doch damit wird bereits im 18. Jahrhundert eine längst verlorene Wirklichkeit beschworen.

Der Verlust der Ritterlichkeit zeigte sich auch in den Jagdmethoden. ... Bei allen Jagdarten ist eine Tendenz zur Ausschaltung jeglichen Risikos und der Sicherung eines möglichst hohen Vergnügens festzustellen. Diese Tendenz fand ihren Höhepunkt in dem nach Versailler Vorbild variantenreich veranstalteten "Festinjagen". ...

Bild: Bauernalltag um 1500 - Im Hintergrund Flechtzäune als Wildschutz und Bauern, die versuchen das Wild mit Steinschleudern und Stecken von den Feldern fernzuhalten (Bauernkriegsmuseum Böblingen) - klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

Bäuerliche Jagdlast
... Der Glemswald gehörte zu den bevorzugten Jagdgebieten der in Stuttgart residierenden Landesherren. Die Hauptleidtragenden waren Eltingen, Leonberg, Weilimdorf, Botnang und Feuerbach. So hatte Feuerbach an 120 bis 130 Arbeitstagen fronpflichtige Männer zu stellen. ... 1769 beanspruchte Herzog Carl Eugen 3753 Männer aus den Dörfern des Leonberger Forstes mit 1200 Pferden und 790 Ochsen. Leonberger, Eltinger, Warmbronner, Gebersheimer, Renninger, Gerlinger Einwohner mussten Pirschwege anlegen, Wild im Winter mit Futter versorgen, Treiberdienste leisten, Jagdzäune errichten, angeschossene Tiere suchen, Gras mähen und dörren, Eicheln lesen, Wege instandsetzen und vieles mehr. ... Verschärft wurde diese Situation noch durch den Schaden, den das Wild auf Feldern und Weinbergen anrichtete. Den Gemeinden waren nur wenige Schutzmassnahmen gestattet. ...

Den Bauern war "aus Lands-Vätterlicher Liebe und Sorgfalt für die Conservation Unserer Unterthanen" gestattet, ihre Felder und Gärten mit Zäunen zu umgeben. Doch diese durften nur eine geringe Höhe haben und nicht "spitzig" sein, damit dem "Wildprät keinen Schaden entstehen könnte"... .

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts sollten Wildzäune um die Wälder angelegt werden. Das Wild war bei seiner Nahrungssuche alleine auf den Wald angewiesen. Als man aber feststellte, dass die Bäume erheblich darunter gelitten hatten, wurde der Abbruch der Zäune verfügt. Das Wild wurde wieder bewusst auf die Felder gelassen.

Die einzige wirksame Selbsthilfe, nämlich Jagd und Abschuss des überreichen Wildbestandes, war dem gemeinen Mann streng verboten.

Der Text wurde gekürzt

Archivale (mit Transkription) aus dem Stadtarchiv Leonberg mit einem Bericht über das Hirschwasserjagen im Leonberger Forst (Stadtarchiv Leonberg)

Mit freundlicher Genehmigung der Autorin und des Heimatgeschichtsvereins für Schönbuch und Gäu e.V.

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