zeitreise bb
Leonberg>>Pest

Die Pest in Leonberg

Weitere Informationen

Autorin: Olga Zimmermann
In der Mitte des 14. Jahrhunderts wurden die Menschen von einer grauenvollen Krankheit heimgesucht: Starkes Schwitzen, leichtes Fieber, Kraftlosigkeit, starke Kopf- und Gliederschmerzen sowie Übelkeit, bald darauf eigenartige, dunkle Geschwülste unter den Achseln, in den Leisten, am Nacken und an den Ellenbogen; einen Tage später dunkle Flecken am ganzen Körper und tagelange unerträgliche Schmerzen unter hohem Fieber - kurze Zeit darauf verstarben die meisten Erkrankten: Die Pest war ausgebrochen.

Pest

Bild links: Miniatur aus der Toggenburg-Bibel (Schweiz) von 1411. Die Krankheit wird allgemein für Pest gehalten, es könnte sich jedoch auch um die Pocken handeln. (Bild: Wikipedia) - Klicken Sie auf das Bild, um es zu vergrößern.

Die Pest in Europa
Als in den Jahren 1348-1350 der „Schwarze Tod“, wie die Pest auch genannt wird, Europa heimsuchte, fielen ihr nach Schätzungen etwas 25 Millionen Menschen zum Opfer – das waren etwa ein Drittel der gesamten europäischen Bevölkerung. Ob arm oder reich, ob Mann, Frau oder Kind - vor dem Schwarzen Tod war niemand sicher. Die häufigsten Formen der Pest waren die oben beschriebene Beulenpest und die radikalere Lungenpest, bei der die Menschen nach starken Brustschmerzen und Blutspucken meist innerhalb von drei Tagen verstarben.

Ausbreitung

Bild rechts: Ausbreitung der Pest in Europa zwischen 1347 und 1351 – Klicken Sie auf das Bild, um es zu vergrößern. (Bild: Roger_Zenner. Creative Commons Lizenz CC BY-SA 2.0. Die Originaldatei finden Sie hier.

Erst 1894 entdeckte der Schweizer Arzt Alexandre Yersin den Pesterreger. Daher weiß man heute, dass die Pest eine bakterielle Infektionskrankheit ist, die mit Antibiotika behandelt werden kann. Im Mittelalter wurde der Pesterreger von Ratten auf Flöhe übertragen, die wiederum Menschen befielen. Aufgrund der unhygienischen Verhältnisse konnte sich die Krankheit schnell ausbreiten. Heute tritt die Pest vereinzelt in Gebieten Nord- und Südamerikas, Afrikas, und Nordasiens auf, wobei die Krankheit bei frühzeitiger Erkennung heilbar und die Wahrscheinlichkeit einer Pestepidemie gering ist.

Die Pest in Leonberg
Anna Wendel aus Eltingen, die als Magd in Hirschlanden gedient hatte, wurde Mitte August 1596 krank. Am 26. August starb sie. Einige Tage später verlor der Familienvater Georg Wendel ein weiteres Kind, einen drei Wochen alten Säugling. Am 9. September wurde seine kleine Tochter Christine, einen Tag darauf einer seiner Söhne und am darauffolgenden Tag eine weitere Tochter begraben. Am 12. September starb der Familienvater nach viertägiger Krankheit selbst. Ihm folgten noch vier Töchter und drei Söhne ins Grab. Die Pest hatte bis auf die Ehefrau Margaretha und Sohn Johannes der vielköpfigen Familie das Leben genommen.

In Leonberg wütete die Pest mehrmals und ist – neben der großen europäischen von 1348 - für die Jahre 1420, 1572, 1576, 1584 bis 1586, 1594, 1596/97, 1608/09, 1611/12 und 1626/27 überliefert, wobei es sich bei diesen Überlieferung auch um andre Seuchen handeln kann. Der Schwarze Tod kostete vielen das Leben: In Eltingen kamen 1596/97 253 Menschen ums Leben, was etwa ein Drittel der Bevölkerung ausmachte. 1635 fordert die Pest in Eltingen 660, in Gebersheim 113, in Höfingen 245 und in Leonberg 635 Opfer - d.h. nur jeweils die Hälfte bis ein Drittel der Bevölkerung entkam der grausamen Krankheit, an die in Leonberg ein Gedenkstein erinnert.

Gedenkstein

Bild links: Gedenkstein für die Opfer der Pest, an der 1635 allein in Leonberg 635 Menschen starben. Der Stein befindet er sich heute im Stadtmuseum. (Bild: StA Leonberg – Foto-Sammlung Bühler) – für eine vergrößerte Ansicht der Pesttafel und eine Abschrift der Inschrift klicken Sie bitte in das Bild

Da die Zahl der Toten die Kapazität des Friedhofs überstieg, musste ein neuer Friedhof außerhalb der Stadt angelegt werden. Dieser Friedhof, auf dem die ersten Bestattungen im Jahr 1572 stattfanden, ist der heute noch bestehende Alte Friedhof. Wegen der vielen Kriegs- und Seuchenopfer musste er 1650 erweitert werden. 1663 erinnerte man daran mit einer Gedenktafel. Sie war einst in der Nordmauer eingelassen und steht heute im Leonberger Stadtmuseum. Aufgrund des Rückgangs der Bevölkerung und wegen des Mangels an Geistlichen, fiel der Gottesdienst häufig aus. Es gab auch kaum Totengräber und oft wurden Verstorbene erst Tage später in ihrem Haus aufgefunden. Die Menschen lebten in Angst und Schrecken, verließen selten ihr Haus. Eine weitere Folge war, dass des „Sterbens halber kein Vogtgericht gehalten“1* werden konnte und auch der Jahrmarkt ausfallen musste ( - auch wenn dies eher eine unbedeutende Folge war). Durch das große Sterben wurden die Lebensmittel aufgrund der sinkenden Nachfrage billiger, doch selbstverständlich konnte sich im Verlauf der Pest niemand darüber freuen.

Maßnahmen gegen die Pest
Flagellanten

Bild rechts: Flagellanten. Holzschnitt, 1493, Schedel’schen Weltchronik, Blatt CCXVr. (Bild: wikisource) – Klicken Sie auf das Bild, um es zu vergrößern

Woher die Krankheit kam, wußte niemand. Von der Strafe Gottes für die Sünden der Menschen, zu ungünstigen Planetenkonstellationen und giftigen Dämpfen aus dem Erdinneren, bis hin zur Brunnenvergiftung durch Juden - bald waren unterschiedliche Erklärungen gefunden. Aus diesen Theorien zogen die Menschen auch Konsequenzen: Um sich mit Gott zu versöhnen, beteten die Menschen öfter und bekannten sich zu ihren Sünden. Einige Gläubige begannen sich zu geißeln. So zogen sie umher und schlugen sich blutig um für ihre Sünden zu bußen. Andere versuchten sich von ihren Sünden freizukaufen, so dass der Ablaßhandel der Kirche während der Pestepidemien stets zunahm. Vermögende Personen, wie der Vogt oder der Bürgermeister von Leonberg, besorgten sich von dem Stuttgarter Hofapotheker Hans Jacob Küennlen Medikamentenmischungen, um sich vor der Krankheit zu schützen, bzw. diese zu heilen. Auch der Barbier Ufmsand mischte einen Pestilenztrank und andere Medikamente für alle Leonberger, die es sich leisten konnten. Jedoch waren solche Arzneimittel genau wie andere Reaktionen auf die Krankheit letztendlich vergebens.

Pestarzt

Bild links: Pestarzt in Marseille 1720. Die Schutzkleidung kam Anfang 17. Jh. in Gebrauch. Typisch ist die schnabelförmige, mit Riechstoffen oder einem essiggetränkten Schwamm gefüllt Maske, die die Atemluft von den Pestgasen reinigen sollte. Ergänzt wurde der Aufzug durch ein langes Gewand, Handschuhe und eine Schutzbrille, die vor der gefürchteten Ansteckung durch Blickkontakt schützen sollte. Den Peststab mussten alle Personen tragen, die Umgang mit Pestkranken hatten. (Bild: „Das große Sterben“, Deutsches Hygiene Museum Dresden 1995, S. 29)

Viele Ärzte versuchten die Krankheit durch den Aderlass zu stoppen, wobei diese Maßnahme, bei der dem Kranken „schlechtes Blut“ entnommen werden sollte, den von der Krankheit geschwächten Menschen schadete. Manchmal wurden die Beulen aufgestochen damit die unangenehm riechende, dunkle Flüssigkeit herausfließen konnte. In einigen größeren Städten Europas entstanden Quarantänestationen um die Kranken zu isolieren und so eine Seuche einzudämmen. In Leonberg gab es ein Siechenhaus, das für das 16. Jahrhundert urkundlich belegt ist, wobei nicht klar ist, wo genau es sich befand.

Juden mussten als Sündenböcke herhalten und wurden in ganz Europa vertrieben, verfolgt und ermordet. So wird es vermutlich auch der wohl kleinen jüdischen Gemeinde, die sich nach der Stadtgründung in Leonberg angesiedelt hatte, ergangen sein. Dass die Krankheit vor ihnen auch keinen Halt machte, wurde ignoriert. Viele versuchten vor der Krankheit zu fliehen, doch dadurch wurde sie nur noch schneller verbreitet. Trotz aller Maßnahmen waren die Menschen der Krankheit, die Europa zwischen dem 14. und 19. Jahrhundert immer wieder aufsuchte, hilflos ausgeliefert.

1

Franz Bühler, Heimatbuch Leonberg, Bietigheim 1954, Seite 156

Mit freundlicher Genehmigung der Autorin

Olga Zimmermann ist Mitglied im Arbeitskreis „zeitreise-bb“ und Lehrerin für Geschichte am Johannes-Kepler-Gymnasium in Leonberg
    Literaturangaben:
  • Franz Bühler: Heimatbuch Leonberg, Stadtführung, Geschichte, Kulturgeschichtliches. Bietigheim, 1954. Seite156 f.
  • Andrea Hähnle: Die Stadt Leonberg und ihre heutigen Teilorte im Mittelalter, in: Leonberg – Eine altwürttembergische Stadt und ihre Gemeinden im Wandel der Geschichte. Von Wilfried Setzler, Hansmartin Decker-Hauff, Joachim Fischer, Andrea Hähnle, Hans-Georg Hofacker, Fritz Oechslen, Benigna Schönhagen, Ingo Stork und Volker Trugenberger, WEGRAhistorik-Verlag Eberhard Hartenstein und Partner Stuttgart, 1992. Seite 31-72.
  • Monica Mather und Renate Stäbler: Warmbronn. Geschichte eines altwürttembergischen Fleckens. Hrsg.v. Stadtarchiv Leonberg, 2009. Seite 57.
  • Volker Truggenberger: Der Leonberger Raum an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit, in: Leonberg – Eine altwürttembergische Stadt und ihre Gemeinden im Wandel der Geschichte. Von Wilfried Setzler, Hansmartin Decker-Hauff, Joachim Fischer, Andrea Hähnle, Hans-Georg Hofacker, Fritz Oechslen, Benigna Schönhagen, Ingo Stork und Volker Trugenberger, WEGRAhistorik-Verlag Eberhard Hartenstein und Partner Stuttgart, 1992. Seite 83-120.
  • Württembergische Vierteljahreshefte für Landesgeschichte, XXI. Jhg. 1912, Heft I und II. Seite 167-172.
Zur Seuchengeschichte finden Sie in zeitreise-bb noch den Artikel „Die Schönaicher Pockenepidemie 1848 bis 1850“ von Fritz Heimberger.

Internet-Links
Bei Wikipedia finden Sie u.a. Artikel zur Pest, zur Geschichte der Pest und zum Schwarzen Tod.
Umfangreiche Infos zur Pest und zu anderen Seuchen finden Sie auch auf dem Internetportal der Gesundheitsämter Dachau/Garmisch-Partenkirchen

Diese Seite drucken
Zum Seitenanfang

www.zeitreise-bb.de