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Schönaicher Wolfsjagd im Jahre 1845

Quelle: "Aus Schönbuch und Gäu. Beilage des Böblinger Boten", 1/1964

Autor: Dr. Fritz Heimberger

Bild: Wolfsjagd in grauer Vorzeit. Illustration aus Rulaman - Erzählung aus der Zeit des Höhlenmenschen und des Höhlenbären von D. F. Weinland, Verlag Karl Knödler, Reutlingen 1985 - klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

Ein nicht ganz alltägliches Ereignis versetzte Schönaich an einem Spätherbsttag des Jahres 1845 in einige Aufregung. Bei Holzgerlingen hatte man am Abend des 25. Oktober einen Wolf gesehen. Grund genug, dass das Oberamt in Böblingen noch am selben Tag durch eigens gesandte Boten das Schultheißenamt1* Schönaich anwies, "zu Abhaltung einer Treibjagd bis morgen früh 9 Uhr 20 Mann mit einem Obmann2* zu stellen, die sich auf dem Holzgerlinger First, auf der Straße zwischen Böblingen und Holzgerlingen, einzufinden haben.

" Die ganze Sache war "höchst pressant". ... Daher erwartete das Oberamt, "dass sich keiner der Aufgebotenen seiner Pflicht entziehen werde. Versäumnisse hätten Strafen zur Folge."

So dringend man von Böblingen aus das Ganze betrieben hatte, so kläglich war der Erfolg. Die ausgesandte Mannschaft fand den Wolf nicht. Er war und blieb verschwunden. Das Oberamt wurde vorsichtiger. Es wies die Ortsvorsteher von Schönaich, Breitenstein und Neuweiler am 2. Dezember 1845 zwar an, "falls wieder ein Eingriff in einen Pförch geschehen oder ein Wolf gesehen worden wäre", Revierförster und Oberamt gleich zu benachrichtigen. Es machte aber zugleich darauf aufmerksam, "dass häufig Füchse oder Hunde für Wölfe genommen worden sind und dass deshalb, wenn die Nachricht vom Erscheinen eines Wolfes dem Ortsvorstand zukommt, nicht blindlings zu glauben, sondern gehörig zu prüfen ist, da außerdem nur unnötige Kosten für die Gemeinde entständen". Übrigens könnten sich "Schäfer ... erfahrungsgemäß vor Schaden schützen, wenn sie brennende Laternen an die Pförche hängten".

Diese Beruhigungen des Oberamts und Mahnungen vor unnötigem Aufwand fruchteten wenig. Ausgerechnet die Kostenaufstellung der Gemeindepflegrechnung sagt uns, dass schon am 20. Januar 1846 die nächste Jagd stattfand. Mit eben demselben Erfolg wie die frühere. Doch man ließ sich nicht entmutigen, der Wolf sorgte für weitere Abwechslung.

Bild: Wölfe brechen in einen Schafspferch ein. Holzschnitt aus: J. v. Fouilloux, New Jägerbuch, Strassburg, 1590. Nachdruck: Satyr-Verlag, Brensbach, 1978 - klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

Am 26. August 1846 wurde dem kgl. Revierförster in Böblingen, Knecht, vom Oberamt mitgeteilt, der Wolf sei in einen Schönaich Schafpferch eingebrochen. Man wollte den Übeltäter diesmal auf frischer Tat ertappen. Deshalb ließ Knecht noch in der Nacht vom 26. auf den 27. August dem Schönaicher Schultheißen Roller mitteilen, er möge "die Bestellung treffen ....., dass mich der kgl. Waldschütze Erbe mit etwa 4 bis 5 Mann heute morgen, frühe um 6 Uhr auf dem Schönaicher First oben erwarte." ...

Man sandte noch in der Nacht von Schönaich nach Böblingen zwei Boten und dort langte die Antwort "per Expressen" nachts ½ 1 Uhr an. Man schickte "6 Mann zum Streifen ½ Tag" aus. Doch der Erfolg ließ auf sich warten.

Für diese drei Jagden musste die Gemeinde "dem Reichert, Lauxmann, Striker, und Consorten, von hier" 18 fl. 9 Kr.3* bezahlen. Ferner hatte Ochsenwirt Gemeinderat Schimpf für die Jagd vom Oktober 1845 2 fl. 24 Kr. gut.

Kein Vierteljahr verging, da wollte Revierförster Knecht wiederum, "weil der Wolf .... verspührt worden seyn soll", "morgenden Donnerstag in den Waldungen bey Schönaich auf denselben Jagd machen lassen". Schönaich sollte dafür sorgen, "dass sich 1 Obmann in der Person des Waldmeisters Rebmann, 2 Gemeindewaldschützen, 25 Mann tüchtige Jagensleute ... Donnerstag, den 12ten diß, Vormittags präziiß 9 Uhr auf dem Schönaicher Fürst, auf der Straß, einfinden". Diesmal hatte Knecht gebeten, "zu den Treibern keine unkundige Leute zu bestellen, weil solche dem Zweck mehr schaden als nützen".

Selbst dieser ausgesuchten Mannschaft blieb jeder Erfolg versagt. Aber die Gemeinde hatte wiederum zu bezahlen. ...

Damit endete die Schönaicher Wolfsjagd der Jahre 1845 und 1846 wie das Hornberger Schießen. Es wäre jedoch falsch, alles auf Kosten der Einbildungskraft der Schönaicher zu setzen. Die schwäbischen Zeitungen der Zeit sind voll von Berichten über die Untaten eines überall umherstreifenden Wolfes (oder waren es mehrere?)

1

Schultheiß = Orts-, Gemeindevorsteher

2

Obmann = allgemein mit Aufsichtsfunktionen betraute Person, Vorgesetzter eines Gremiums, Vertreter der Obrigkeit, auch Mitglied des Gemeindevorstands

3

1 Gulden (fl) = 60 Kreuzer (kr). Nach der Währungsumstellung entsprach 1 Gulden ca. 1,71 Mark. Legt man für eine grobe Währungsumrechnung bestimmte aktuelle Lebensmittelpreise zugrunde, dürfte ein Kreuzer etwa den Gegenwert von 0,80 € gehabt haben. Die Guldenwährung im süddeutschen Raum bestand von ca. 1550 - 1875.

Der Text wurde gekürzt

Mit freundlicher Genehmigung von Frau Heimberger, des Heimatgeschichtsvereins für Schönbuch und Gäu e. V., des Satyr-Verlags in Brensbach und des Verlags Karl Knödler Reutlingen.

Literaturhinweise:

Dieter Röckel
Die abenteuerliche Geschichte des letzten Wolfs im Odenwald & Letzte Wölfe in Deutschlands Regionen
Rhein-Neckar-Zeitung GmbH, Heidelberg
ISBN 3-929295-53-9
2. Auflage 2000, 127 Seiten, mit zahlreichen s/w-Abbildungen, Farbfotos und Karten, Hardcover gebunden

Erik Ziemen
Der Wolf. Verhalten, Ökologie und Mythos
Knesebeck GmbH & Co. Verlags KG München 1997


Unterrichtsmaterial für Lehrer:

Wenn die Wölfe kommen
Lektüre mit Arbeitsmaterial aus dem Klett-Verlag

Im Dorf entstehen Unruhe, Angst und Feindseligkeit: Ein fremder Professor hat zu Forschungszwecken in der Nähe ein Freilandgehege für Wölfe angelegt. Nur Franz, der mit seinen Eltern am Rande des Dorfes lebt, ist von den ungezähmten Tieren fasziniert. In ihrem Wesen entdeckt er etwas von der Wildheit und der Ursprünglichkeit der Natur. Als die Dorfbewohner eine Treibjagd auf den Professor und seine Wölfe eröffnen, setzt Franz mit seinem Vater alles daran, die Tiere zu retten.
Eine spannende Geschichte, leicht zu lesen, mit einem offenen Ende. Die unterschiedlichen Standpunkte können von den Schülern vertieft werden. Im Anhang gibt es dafür genug Lesematerial. Dazu Fragen zur Geschichte und Informationen zum Wolf.

Arbeitsmaterial für Lehrer und Schüler zur projekt- und unterrichtsbegleitende Hilfe über das Thema Wolf gibt es auch bei Thoddys Wolf Kinderclub.

Weitere Links zum Thema:

http://www.natur-lexikon.com/Texte/sr/001/00001/sr00001.html
http://www.wolves.de
zeitreise-bb: Die letzten Wölfe im Kreis

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