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Machtergreifung und NS-Herrschaft in Steinenbronn

Quelle: Die nationalsozialistische Machtergreifung am 30. Januar 1933 und die erste Zeit der NS-Herrschaft in Steinenbronn. In: Steinenbronn - Neues von Gestern und Heute. Herausgeber: Gemeinde Steinenbronn, Geiger-Verlag, Horb am Neckar 1997, S. 80 – 82

Autor: Paul E. Schwarz
Bei seinen Recherchen zur Geschichte Steinenbronns im Dritten Reich war Paul Schwarz im wesentlichen auf die Aussagen von Zeitzeugen angewiesen. Alle wichtigen Akten und Unterlagen, einschließlich der Gemeinderatsprotokolle ab 1935, waren von der Verwaltung in den letzten Kriegstagen vernichtet worden. Lesen Sie im folgenden Auszüge aus seiner erstmals 1996 veröffentlichten Untersuchung:

Bild: Aufmarsch der SA vor dem Rathaus (links) zur Reichtagswahl am 10. 04. 1938. (Aus: Steinenbronn - Neues von Gestern und Heute, Horb am Neckar 1997, S. 78) - klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

Steinenbronn nach der Machtübernahme 1933
Abgesehen von den Verhaftungen der Nazi-Gegner mit all ihren schweren Folgen für die betroffenen Familien war die politische Umwälzung für die Mehrzahl der Bevölkerung ohne großes Aufsehen vorübergegangen. Kaum einer kann sich heute noch erinnern, wann die erste Hakenkreuzfahne am Rathaus gehisst worden sei.

Bei der Gemeindeverwaltung ergaben sich keine personellen Veränderungen. Bürgermeister Müller gab in der öffentlichen Gemeinderatssitzung vom 5. Mai 1933 bekannt, dass „er sich der NSDAP als Mitglied angeschlossen" habe.

Gleichschaltung des Gemeinderats
Der Gemeinderat setzte sich im Januar 1933 aus folgenden 12 Mitgliedern zusammen: Wilhelm Schmidhäuser, Gottlob Krauß, Karl Maier, Karl Schuldt, Johannes Wacker, Karl Fritz, Gottlob Auch, Gottlob Steck, Gotthilf Eberhardt, Ludwig Schwarz, Karl Hauser und August Schmid.

Das Sitzungsprotokoll vom 9. März 1933 wurde, ohne Begründung, nur noch von 6 Gemeinderäten unterzeichnet. In der Sitzung vom 30. März 1933 gab der Vorsitzende Müller dann bekannt, dass nach der Anordnung des NS-Unterkommissars für den Oberamtsbezirk Stuttgart die Hinzuziehung von Kommunisten und Sozialdemokraten zu Gemeinderatsverhandlungen bis auf weiteres verboten sei. Den betreffenden Mitgliedern sei die Anordnung bereits am 29. März bekannt gegeben worden. Die Namen der Betroffenen wurden nicht genannt. Durch Gesetz vom 18. April 1933 wurde der bisherige Gemeinderat aufgelöst.

Die Neubildung erfolgte durch Berufung entsprechend dem Wahlergebnis der Reichstagswahl vom 5. März 1933 ohne Kommunisten. Die Zahl der Gemeinderäte betrug für Steinenbronn 9 Mitglieder einschließlich des Vorsitzenden. Am 5. Mai 1933 gab der Vorsitzende bekannt, dass die „bisherigen Gemeinderatsmitglieder in den neuen Gemeinderat aufgenommen werden konnten". Er bittet die Mitglieder, „ganz im Sinne der nationalen Erhebung ihre Pflicht zu erfüllen". Die alten und neuen Mitglieder waren: Wilhelm Schmidhäuser, Karl Maier, Karl Schuldt, Johannes Wacker, Karl Fritz, Gottlob Auch, Gotthilf Eberhardt und Karl Hauser.

Dabei verschweigt das Protokoll, dass 4 Mitglieder des alten Gemeinderats nicht mehr im neuen Gremium vertreten sind. Die Reduzierung der Gemeinderatsmitglieder von 12 auf 8 hatte offenbar die willkommene Begründung dafür geliefert, die 4 unerwünschten alten Mitglieder Gottlob Krauß, August Schmid, Ludwig Schwarz und Gottlob Steck, hinauszuwerfen. Mit Ausnahme von Gottlob Steck waren sie ohnehin vorher verhaftet worden. August Schmid befand sich noch im KZ auf dem Heuberg, Gottlob Krauß im Lager Weinsberg.

Bereits am 13. Juli gab es eine Änderung, weil nach einer Verordnung des Reichsinnenministers die auf Grund eines Wahlvorschlags der SPD gewählten Ratsmitglieder mit sofortiger Wirkung ausgeschieden seien. In Steinenbronn waren davon die Gemeinderäte Karl Fritz und Karl Schuldt betroffen. Vom Oberamt wurden auf Vorschlag der Gemeindeverwaltung und des Beauftragten der NSDAP als Ersatzmitglieder Paul Pfannenschwarz und Hugo Stierle (Lammwirt) berufen.

Diese Änderung wurde vom Vorsitzenden mit der Feststellung kommentiert: „Damit besteht der Gemeinderat aus lauter Mitgliedern der NSDAP." Diese Sitzung war wie eine Feierstunde gestaltet worden. SA-Leute füllten den kleinen Sitzungssaal am alten Rathaus. Der Fraktionsvorsitzende Karl Hauser begrüßte die neuen Mitglieder als „alte Vorkämpfer für die Idee unseres Volkskanzlers". Am Schluss der Sitzung wurden das Deutschlandlied und das Horst-Wessel-Lied gesungen. ...

Bild links: Gruppenaufnahme im Heim der Hitlerjugend (heute Karlsstraße 17). (Aus: Steinenbronn - Neues von Gestern und Heute, Horb am Neckar 1997, S. 82) - klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

Auflösung der Vereine – der Alltag geht weiter ...
Der Gemeinderat verlor nach der Machtübernahme zusehends an Bedeutung. In der Hauptsache verblieb ihm die Beratung und Feststellung des Jahreshaushaltsplans und einzelne finanzielle Entscheidungen. In eingehenden Beratungen befasste sich der Rat mit der Beschäftigung des Freiwilligen Arbeitsdienstes und mit der Durchführung von Notstandsarbeiten. Einer der ersten Beschlüsse war die Umbenennung der Seilerstraße in Adolf-Hitler-Straße und der Wettestraße in Hindenburgstraße am 26. April 1933. Weitere Beschlüsse betrafen Zuwendungen und die Bereitstellung von Räumen für die Hitlerjugend und die kostenlose Übereignung der Turnhalle des von der NS-Regierung aufgelösten Arbeiter-Turn- und Sportvereins auf die Gemeinde.

Bild rechts: Die Gruppe des BdM beim Festzug zum 1. Mai 1935 in der Stuttgarter Straße. (Aus: Steinenbronn - Neues von Gestern und Heute, Horb am Neckar 1997, S. 82) – klicken Sie in das Bild um es zu vergrößern

Im Ort ging der Aufbau der NS-Organisationen wie SA, Hitlerjugend (HJ) einschließlich des Jungvolks und des BdM (Bund deutscher Mädchen) rasch voran. ... Der Alltag ging im übrigen für die große Mehrheit der Bevölkerung in altgewohnter Weise weiter.

Für Enttäuschung und Ärger sorgten die in kurzer Folge ergangenen Erlasse und Anordnungen zur Gleichschaltung der Vereine und des gesamten öffentlichen Lebens. Alle politisch linksgerichteten Vereine wurden aufgelöst und ihr Vermögen beschlagnahmt.

Von dem am 1. April 1933 von der NSDAP verkündeten Boykott jüdischer Geschäfte, der auch in Stuttgart brutal in Szene gesetzt wurde, bekam die hiesige Einwohnerschaft nur durch die Presse Kenntnis. Hier fiel nur auf, dass der jüdische Viehhändler aus Haigerloch dieses Jahr ausblieb. ...

Den Abschluss der politischen Großereignisse dieses ersten Jahres der NS-Herrschaft bildete die Reichstagswahl mit Volksabstimmung am 12. November 1933. ...

Das Ergebnis der Abstimmung lautete in Steinenbronn:


SteinenbronnReich
Wahlberechtigte796
Wahlbeteiligung791 (99,3 %)95,3 %
Gültige Stimmen766 (96,8 %)92,1 %
Ungültige Stimmen25
Nach diesem Ergebnis muss man annehmen, dass am Ende des Jahres 1933 der brutale Meinungsterror der NSDAP auch in Steinenbronn die gesamte Einwohnerschaft total beherrschte. Der Grund für das hohe Wahlergebnis lag zweifellos auch darin, dass man die Verletzung des Wahlgeheimnisses befürchtete. Eine Stimmverweigerung war angesichts der angedrohten Repressalien kaum möglich. Was den zahlreichen nach wie vor kritischen und misstrauischen Bürgern angesichts dieser Entwicklungen noch übrig blieb, war das Schweigen und der innere Widerstand.

Der Text wurde gekürzt.

Mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Gemeinde Steinenbronn

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