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Münklingen und der Jakobsweg

Quelle: Münklingen – Aus der Geschichte der Gemeinde und ihrer Kirche, hrsg. von der Evangelischen Kirchengemeinde Münklingen, 1970, S. 6-11

Autor: Siegfried Pfleiderer
Totenhaus

Bild: Das ehemalige Totenhaus des Münklinger Friedhofs. Hier ganz in der Nähe stand die ursprüngliche Jakobskirche. (Foto: Klaus Philippscheck) – Klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

Münklingens erste Kirche
Im Jahre 830 verschenkte Graf Erlafrid von Calw seine Kirche bei Münklingen an sein eben gegründetes Kloster Hirsau. Das ist die erste urkundliche Nachricht von dieser Kirche. Sie lag damals am Jakobsbrunnen, eine Viertelstunde vom Dorf entfernt, nahe der Markungsgrenze, rechts der jetzigen Straße nach Neuhausen. Aus dem Umstand, daß der Graf "als Eigenherr" die Kirche verschenkte, ist ihr hohes Alter zu schließen.

Vielleicht stand an ihrem Ort früher schon ein römisches Heiligtum für den in der Nähe nachgewiesenen römischen Gutshof. Links vom Lehninger Weg wurden dessen Grundmauern in den Parzellen 1175-1178 gefunden. 200 Schritte nördlich davon befand sich schon in vorrömischer Zeit auf dem Sattel zwischen Büchelberg und Kuppelzen die Kreuzung von zwei uralten Verkehrswegen: Ein Nord-Südweg, der von Pforzheim auf der Höhe zwischen Würm und Nagold herführte und über die Merklinger Riemenmühle weiter nach Aidlingen verlief. Ferner ein Ost-Westweg, der von Bietigheim, Eberdingen, Flacht, Heimsheim und Hausen herkam und über Unterhaugstett, Liebenzell in Richtung Baden-Baden ging. Die Gegend um den Jakobsbrunnen war also in frühester Zeit kein ganz abgelegenes Fleckchen Erde. (...)

Eine bemerkenswerte Erscheinung ist der Brunnen, der schon die Römer bewogen hat, sich in der Nähe niederzulassen. Er entspringt auf dem Liegenden der Orbikularisschichten des oberen Wellengebirges, die einen Quellenhorizont führen und dem Schichtenfallen entsprechend diese Quellen nach Osten ergießen. Wunderbar ist von hier aus der Blick hinunter auf das geschützt in dem nach Osten geöffneten Talkessel gelegene, sich an drei Seiten den Bergen anschmiegende Dörflein Münklingen, das durch die Landesverteidigungslinie des "Landgrabens" auch nicht viel geschützter war als durch die natürliche Lage. Im Rücken des Beschauers liegt der Büchelberg, ein weitausgedehntes Naturschutzgebiet mit einer gewaltigen Rund- und Weitsicht bis hin zum Roßberg der Schwäbischen Alb. Linkerhand erhebt sich die Kuppelzen, wo die Burgenforscher am vorgeschichtlichen Ringwall noch immer nach der sagenhaften Burganlage fahnden. (...)

Blick auf Münklingen

Bild: In der Nähe des Jakobsbrunnens bietet sich dieser Blick auf Münklingen. (Foto: Klaus Philippscheck) – Klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

Wo lag die alte Kirche genau?
In alten Flurkarten ist ihr Ort durch die Stellen "Alte Kirche", "Bei der alten Kirche" und "Jakobsbrunnen" markiert. ... Auffallenderweise ist innerhalb der Süd-Ostecke des bis 1884 noch benützten Friedhofs ein rechteckiger Platz von ca. 12 : 8 m auszumachen, auf dem die angepflanzten Tannen nicht Wurzel fassen konnten. Die halbverfallene Friedhofsmauer ist nur an dieser Ecke einigermaßen gerade. Auch wäre von diesem Platz aus die Sicht von der Kirche zum Dorf und vom Dorf zur Kirche am besten gewesen. (...)

[Der Hirsauer] Abt Wilhelm (gest. 1091) dürfte in Münklingen einen Patroziniumswechsel zugunsten der seinerzeit gesteigerten Jakobsverehrung vorgenommen haben, zumal die Höhenlage der Münklinger Kirche dieser Absicht entgegenkam. (...)

Jakobsverehrung und Wallfahrt nach Compostela
Nach der Legende wurden des Jakobus sterbliche Überreste in Santiago beigesetzt: Neben Rom das einzige Apostelgrab der abendländischen Welt. Seit dem 10. Jh., wohl auch angeregt durch die damaligen Differenzen zwischen Kaiser und Papst, Welt und Kirche, ging man dorthin auf Wallfahrt, um das Grab des ersten Apostelmärtyrers zu besuchen. (...)

Die aus dem süddeutschen Raum kommenden Santiagopilger sammelten sich in Einsiedeln in der Schweiz. Die Wege dorthin waren mit Jakobskirchen gesäumt. Es gab einen Jakobsorden und Jakobsklöster an zentralen Sammelplätzen, aber es gab auch Hospize, die von Bruderschaften verwaltet wurden. Der Santiagopilger sollte, das war der Gedanke solcher Einrichtungen, an den Orten seiner Übernachtungen nach dem anstrengenden Tagesmarsch ganz von der Idee der Wallfahrt zum hl. Jakobus "umhüllt" sein. Er sollte sich gewissermaßen von einer Stätte der Jakobus-Verehrung zur andern bewegen. Das ist an den drei großen Pilgerstraßen durch Frankreich deutlich abzulesen. In Deutschland wird es schwieriger.

Raststätte auf dem Pilgerweg?
Dennoch soll, was phantastisch anmuten wird, ausgesprochen werden: Die Jakobskirche zu Münklingen könnte eine derartige Raststätte für Leib und Seele am Pilgerweg nach Santiago gewesen sein! Die Pilger mieden die Handelsstraßen, sie wollten ja allein sein. Von Sinsheim könnte über Erlenbach bei Mühlacker, Münklingen und Ihlingen bei Horb eine kleine Jakobstraße auf den Bodensee zugeführt haben, wo sich ein ganzer Kranz von Jakobskirchen nachweisen läßt. (...)

Jakobsbrunnen

Bild: Der Jakobsbrunnen; sein Wasser läuft als „Burggraben“ bei der Merklinger Riemenmühle in die Würm. (Foto: Klaus Philippscheck)

In Münklingens alter Kirche hätte diese Jakobs-Pilgerstraße eines der vielen Rasthäuser gehabt. Das Kloster Hirsau als entschiedener Parteigänger des Papstes bei dessen Auseinandersetzungen mit dem Kaiser wie auch als eifriger Förderer der Jakobswallfahrt hatte dazu zum Ausbau der Jakobsstraße in Münklingen einen Wechsel des Patrons vorgenommen und damit seine Freudigkeit zur Jakobusverehrung bezeugt. Die frisch sprudelnde Wasserquelle, Ursprung des durch Münklingen fließenden Burggrabens, war, als "Jakobsbrunnen" benannt, für die neue Sinngebung des Ortes höchst willkommen. Der von der Reise müde Pilger konnte sich hier niedersetzen und erfrischen. Fand er ja außer diesem frischen Wasser in der danebenstehenden Pfarrkirche jenes Wasser, das Jesus seinen Gläubigen gibt!

Münklingens alte Kirche über dem Dorfe hat also über drei Jahrhunderte (1200 - 1500) hinweg nicht nur den Ortsansässigen gedient, sondern auch eine wichtige Funktion als Raststätte am Jakobspilgerweg ausgeübt. So sind unsere Gedanken an dem stillen Platz des ehemaligen Friedhofs von Münklingen in die Vergangenheit zurückgewandert. ...

Eine neue, bequeme Bank lädt heute am Jakobsbrunnen ein, die Aussicht auf den angewachsenen Erholungsort Münklingen zu genießen. Dabei wird es nicht ausbleiben, daß man auch etwas über die Vergänglichkeit irdischer Größe und Bedeutung sinniert: Was mag an dem Ort schon alles geschehen sein, der heute im Dornröschenschlaf versunken daliegt ?

Der Text wurde gekürzt.

Mit freundlicher Genehmigung der Kirchengemeinde Münklingen

Spuren der Jakobsverehrung im Kreis Böblingen
Spuren der Jakobsverehrung und der Wallfahrt nach Santiago de Compostela finden sich in unserem Landkreis auch noch anderenorts.
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Literaturhinweis:
Lipp, Wolfgang: Der Weg nach Santiago. Jakobswege in Süddeutschland, Ulm 1991.
Meyer, Wolfgang: Jakobswege. Württemberg, Baden, Franken, Schweiz. Silberburgverlag. Tübingen 2000 (3. Auflage).

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