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Weil der Stadt>>Josef Anton Gall
Patriziersohn aus Weil der Stadt und Bischof von Linz

Josef Anton Gall (1748-1807)

Quelle: „Aus Schönbuch und Gäu“, herausgegeben vom Heimatgeschichtsverein für Schönbuch und Gäu, 1. und 2. Heft 2005

Autor: Lothar Sigloch
Josef Anton Gall

Bild: J.A. Gall als Hofkaplan. (Bild: Freie Enzyklopädie Wikipedia)

Würde man heute in Weil der Stadt nach Josef Anton Gall (1748 - 1807) fragen, würde man wohl allenthalben auf Schulterzucken stoßen. Es gibt zwar eine Straße, die nach ihm benannt ist, und es gibt das Gall’sche Haus am Marktplatz, das aber die meisten nur nach seinem späteren Besitzer als Haus Speidel kennen.

Die Galls sind in Weil der Stadt ab 1670 nachweisbar. Vater und Großvater Gall waren erfolgreiche Kaufleute in Weil der Stadt, beide waren auch Mitglieder des Rats und Bürgermeister, der Vater Anton Gall war Inhaber einer Tuchhandlung und Tabakfabrik. Anton Gall hatte 11 Kinder, von denen immerhin 10 erwachsen wurden.

Gall’sches Haus

Bild: Das klassizistische sog. Gall’sche Haus – heute Haus Speidel genannt; 1793 vom letzten reichsstädtischen Bürgermeister J. B. Gall errichtet. Josef Anton Gall stammte aus dieser Familie. (Foto: Klaus Philippscheck)

Josef Anton Gall erhielt von einem Kapuzinermönch aus Weil der Stadt privat ersten Unterricht in Lesen, Schreiben und Rechnen, besuchte dann einige Jahre die Jesuitenschule in Rottenburg/Neckar und das ebenfalls von Jesuiten geleitete Gymnasium in Augsburg. Glaubt man seinen Biographen, so hat sich Gall immer als Klassenbester ausgezeichnet. Er studierte dann in Heidelberg 1767/68 Philosophie und Theologie, in Philosophie erwirbt er den Magistergrad und Theologie schließt er mit dem Baccalaureat ab.

Es folgten zwei Jahre weitere Studienjahre in Heidelberg, in denen Gall in Jura und Theologie eingeschrieben war. Während dieser Phase der Berufsfindung entschied er sich für den geistlichen Beruf. Im Priesterseminar Bruchsal 1770/71 war der spätere Weihbischof Andreas Seelmann einer seiner Lehrer. Von ihm heißt es, er habe Galls Interesse für die Pädagogik im Sinne der Aufklärung geweckt.

Am 13. 6. 1772 wurde Gall zum Priester geweiht, die Nachprimiz1* einige Tage später in Weil der Stadt erhielt mit einem „splendiden Festmahl“ im Sitzungsaal des Rathauses einen würdigen Abschluss. Der neugeweihte Priester Josef Anton Gall brach 1773 nach Wien auf, zu einer „Lustreise“, wie es heißt, und um die Vorträge des aufgeklärten Pädagogen Johann Ignaz von Felbiger, Abt von Sagan, über die „Normalschulmethode“ zu hören. Gall hatte zwar noch kein Geld verdient, konnte sich eine solche Reise aber leisten, da er ein finanziell potentes Elternhaus im Rücken hatte. Er hatte seinen Aufenthalt auf wenige Monate geplant, blieb dann aber länger und, wie sich schließlich zeigte, endgültig in Österreich. Titelseite des „Methodenbuchs“

Bild: Titelseite des „Methodenbuchs“, hrsg. von Johann Ignaz von Felbiger (1724 – 1788). Der Augustiner-Chorherr Felbiger, ab 1758 Abt im schlesischen Kloster Sagan, verschaffte sich durch die Reform der katholischen Schulen in Schlesien hohes pädagogisches Ansehen. Er wurde 1774 von Maria Theresia nach Wien gerufen und ordnete mit der "Allgemeinen Schulordnung" das österreichische Elementarschulwesen vollständig neu. Auch in katholischen Gebieten Deutschlands und der Schweiz war z.B. seine sog. "Normalmethode" zur Verbesserung des Leseunterrichts sehr einflussreich. (Aus: Geschichte online/Geschichtsdidaktik) – Klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

Vom Religionslehrer zum Bischof – Galls Karriere in Österreich
Am 3. 8. 1774 wurde Gall als Religionslehrer an der Normalschule bei St. Anna in Wien angestellt. Dies geschah wohl noch auf Vermittlung Felbigers. In Wien wird Kaiserin Maria Theresia auf den jungen Priester und Pädagogen aufmerksam, sie besucht seinen Unterricht und ernennt ihn am 24. 4. 1778 zum Hofkaplan in Wien und überträgt ihm am 27 .12. 1779 die Pfarrei Burgschleinitz in der Umgebung von Wien.

1781 oder 1780 wurde er als Oberaufseher der Schulen Nieder-Österreichs nach Wien zurückberufen. In dieser Stellung und als Referent bei der Studien-Hofkommission prägte er das österreichische Schulwesen entscheidend. Gall führte bis 1788 verschiedene Reformmaßnahmen im Geiste der Aufklärung durch, er verbesserte die Lehrerausbildung und die Schulbücher und führte die „sokratische Lehrmethode“ im Volksschulunterricht ein. In einer Publikation empfahl er sie den Geistlichen für die Unterweisung der Kinder im Religionsunterricht.

Der nächste Karrieresprung folgte im Jahr 1787, als Gall von Kaiser Joseph II. zum Domherrn und „Scholastikus“ bei St. Stefan in Wien ernannt wurde. Für Gall bedeutete dies eine zusätzliche Einkommensquelle, die vielleicht ein Grund für die Stiftung war, die Gall im Jahre 1787 der Schulpflege in Weil der Stadt machte. Am 12. 5. 1788 wurde Gall von Joseph II. zum Bischof von Linz ernannt. Gall war der einzige bürgerliche Domherr im Kapitel der Domherrn von Wien und wurde der erste bürgerliche Bischof in Österreich im 18. Jahrhundert.

J.A. Gall als Bischof

Bild: J.A. Gall als Bischof. Porträt im Besitz des Stadtarchivs Weil der Stadt. (Foto: StadtA Weil der Stadt)

Aufklärung als Geisteshaltung
Galls Verdienste um das Schulwesen, vor allem aber die in seinen Schriften und durch seine Tätigkeit vielfach dokumentierte geistige Nähe zu aufklärerischen Ideen prädestinierten ihn zum bischöflichen Amtsinhaber im josephinischen2* Österreich. So hatte sich Gall in einer Denkschrift für die Abschaffung oder zumindest für die Einschränkung der vielen Feiertage, Prozessionen und Wallfahrten ausgesprochen, weil sie die Volkswirtschaft schwächten. In seiner Antrittspredigt bekannte sich Gall zum Primat des Kaisertums. Sein unter dem Pseudonym des Pfarrers Johann Leopold Stangl geschriebenes dreibändiges Werk „Sokrates unter den Christen in der Person eines Dorfpfarrers“ vertrat josephinisch-antipäpstliche, antiklösterliche Positionen, Gall sprach sich gegen den Zölibat und gegen das Gelübde der Jungfräulichkeit aus und er votierte für Toleranz Andersgläubigen gegenüber.

Auch als Bischof lagen ihm die Katechese und das Schulwesen besonders am Herzen und er erwarb sich auf diesem Gebiet besondere Verdienste. Bei seinen Visitationsreisen durch die Diözese achtete er besonders auf die Ausbildung der Schüler und der Lehrkräfte und nahm die Examina häufig persönlich vor.

Es gibt kaum Überlieferungen von Gall, in denen er sich theoretisch über seine ideologischen Ziele äußert. Am besten können wir seinen ideologischen Hintergrund noch aus seiner Tätigkeit heraus beurteilen, so wie sie uns von Zeitgenossen überliefert ist und natürlich bezeugen ihn seine Schriften. Eine Schlüsselstelle gibt es aber doch, und zwar findet sie sich in einem Brief, den er am 17. Oktober 1790 an den Bruder in Weil der Stadt schreibt. „Man mutet der Aufklärung mit Unrecht zu, dass sie Rebellion stifte. Aufklären heißt in einem jeden Stande das zu lernen, was wahr und gut und nützlich zu wissen ist und für den Stand gehöret.“

Für Gall ist Aufklärung eine Geisteshaltung. Sie ist Richtschnur für eigenes Handeln, aber nur so weit, bis sie an Grenzen stößt. Der Konflikt mit nicht aufgeklärten rückwärts gerichteten Anschauungen und Kräften wird nicht ausgetragen, Aufklärung hat für Gall keine revolutionären Momente. Er distanziert sich von diesen Gruppen.

Das Interesse an Gall hat im Lauf der Zeit nachgelassen. Er hat vor allem durch sein persönliches Auftreten gewirkt. Dies wird von seinen Biografen, die ihn persönlich gekannt haben, immer wieder betont und gerühmt. Diese Wirkung verblasst mit der Zeit. Demgegenüber waren seine Schriften eher für den Moment geschrieben, in späteren Zeiten wurden sie allenfalls noch von Historikern wahrgenommen. 1951 hat Altbürgermeister Hermann Schütz in einem Vortrag, der auch veröffentlicht wurde, Joseph Anton Gall den Weil der Städtern noch einmal ins Gedächtnis gerufen. Hermann Schütz schloss seinen Vortrag damals mit den Worten: „Wir sind stolz darauf, dass wir Bischof Josef Anton Gall, der in hervorragenden Stellungen fern von der Heimat als Jugendbildner, Volkserzieher und Kirchenfürst nur Hervorragendes geleistet hat, zu den großen Söhnen unserer Stadt zählen dürfen. Sein Name wird in den Annalen unserer Stadt unauslöschlich bleiben.“

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Erste Heilige Messe eines neu geweihten Priesters

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Der Begriff bezieht sich auf die Reformen Kaiser Josephs II. zwischen 1780 und 1790, die die Bereiche Recht, Verwaltung, Schulwesen und den kulturellen Bereich betrafen.

Der Text wurde gekürzt.

Mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Heimatgeschichtsverein für Schönbuch und Gäu e.V.

Zum Thema „Reformpädagogik“ können Sie auf www.zeitreise-bb auch den Artikel Adam Friedrich Koch (1763-1835) – Pädagogischer Schriftsteller, Burgenforscher und Dorfschullehrer in Lehenweiler“ einsehen. Diese Seite drucken
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