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Erschütterndes Zeugnis der Kindersterblichkeit

Die Grabmäler der sieben Töchter des Eberhard Wolf von Dachenhausen in der Maurener Kirche

Quelle: Die ehemalige Wallfahrts- und Pfarrkirche zu Mauren. In: Aus Schönbuch und Gäu. Beilage der Kreiszeitung Böblinger Bote, 1+2/1974, S. 12

Autor: Dr. Adolf Schahl
Nächst den Grabmalen des Geschlechtes der Bouwinghausen-Wallmerode in der Pfarrkirche Zavelstein gibt es in Württemberg wohl kaum ein so erschütterndes Zeugnis der Kindersterblichkeit vergangener Jahrhunderte wie die Grabmale von 7 Töchtern des Eberhard Wolf von Dachenhausen und seiner Gemahlin Veronika geb. Truchseß von Höfingen in [der Maurener] Kirche. 1*

Die Sage geht, Eberhard Wolf von Dachenhausen habe sich zum Verkauf der Herrschaft am 16. 12. 1616 an Joh. Friedrich Schertlin von Burtenbach entschlossen, weil er die ungesunde Lage des damaligen Wasserschlosses als Ursache des frühen Todes seiner Kinder ansah. Tatsache ist denn auch, dass der Käufer sofort ein neues Schloss auf der Höhe über der Würm durch Heinrich Schickhardt erbauen ließ. Die kleinen durchweg figürlichen Grabmale im Chor sprechen um so eindrucksvoller zu uns, als es sich dabei um Spätrenaissancearbeiten handelt, welche die Gestalten der Verstorbenen in großer Natürlichkeit und Lebensnähe wiedergeben. Dabei werden die, bis auf eines, nur wenige Jahre alt gewordenen Mädchen teilweise als standesgemäß und modisch gekleidete junge Damen dargestellt. Leider sind alle Grabsteine stark abgetreten. Doch lässt sich immerhin sagen, dass sie aus einer Werkstatt kommen, und zwar des Leonhard Baumhauer in Tübingen.

Sie sind durchweg in Sandstein gearbeitet und tragen nahe den vier Ecken die Wappentartschen2* oben des Eberhard Wolf von Dachenhausen und der Veronika geb. Truchseß von Höfingen, unten der Mutter des Eberhard Sibylla von Karpfen, und der Mutter der Veronika, Ursula von Neuhausen. Die Fünf Grabmale weisen eine einheitliche Machart auf: die Verstorbene steht in Ganzfigur vor einer ornamentierten Flachnische, die von Pilastern3* flankiert wird und durch die sich ein Architrav4* zieht. Dem Rand des Steins entlang läuft - zwischen den Wappentartschen - die Umschrift. Zwei sind, wie beschrieben, andersartig.

Beschreibung der sieben Grabmäler - für eine vergrößerte Darstellung klicken Sie bitte in das jeweilige Bild:

1. Ohne Namensnennung, wohl weil ungetauft, († 1. 5. 1588), 88 x 64 cm.
Inschrift: „AN(N)O. 1. 5. 88. STARB MEIN EBERT WOLFF VON DACHENHAVSEN ERSTE DOCHTER VND HAT GELEBT ZWO STVNDT WELCHER SELLEN DER ALMECHTIG EWIG GOTT GNEDIG SEIN WELLE AMEN".
Diese Inschrift steht über der rechteckigen Flachnische, in der, gleichsam von oben, ein auf einem Quastenkissen5* liegendes nacktes Mädchen zu sehen ist.
2. Für Veronika († 1. 3. 1593). 107 x 69,5 cm.
Umschrift: „AN(N)O D(OMI)NI 1593 DEN I MARTY STARB VERONICA VON DACHENHAVSEN MEIN EBERT WOLFF VON DACHENHAVSEN FÜNFTE DOCHTER IRES ALTERS 10. WOCHEN VND 2 DAG DEREN GOTT EIN FRÖLICHE AVFFERSTEHVNG VERLEYEN WÖLLE A(MEN):"
In Nische Kindchen im abflatternden Totenhemd, das Totenkränzchen im Haar, die zusammengelegten Händchen linkshin erhoben, das linke Bein als Spielbein vorgesetzt, Haupt leicht rechtshin. Somit wie schreitend in leicht kontrapostischer6* Haltung. Zu Füssen ein auf einem Postament liegendes Quastenkissen.
3. Für Sibylla († 29. 5. 1593), 197 x 65 cm.
Umschrift: „AN(N)O D(OMI)NI 1593 DEN 29 MAY STARB SIBILA VON DACHENHAVSEN MEIN EBERT WOLFF VON DACHENHAVSEN VIERTE DOCHTER IRES ALTERS EIN IAHR VND 24 WOCHE(N) DEREN GOTT EIN FRÖLICHE VFFERSTEHUNG VERLEYE(N) WÖLLE A(men):"
In Nische Jungfrau in standesgemäß modischer Tracht, leicht nach links, die Hände vor der Brust zusammengelegt, den Totenkranz auf dem Haupt.

4. (rechts) Für Sibylla († 24. 8. 1598), 112 X 66 cm.
Umschrift (ausnahmsweise nicht in Kapitalbuchstaben): „Ano 1598 Den 24 Avgvst Starb Sybilla von Dachenhausen Mein Eberh. Wolf von Dachenhavse(n) Sexte Dochter Ires Alters 3 lahr vnd 33 Woche(n) dern seellen Der Almechtig Gott gnädig vnd barmhertzig sein wölle Amen".
Wie Nr. 3

5. (links) Für Susanna († 3. 12. 1603), 134 x 72 cm.
Umschrift: „AN(N)O 1603 DE(N) 3 DECEMBRIS STARB SVSANA VON DACHENHAVSEN MEIN EBERT WOLFF VON DACHENHAVSEN ACHTE TOCHTER MORGENS ZWISCHE(N) 4 VND 5VHR VND HAT GELEBT ZWEY IAHR 6 MONAT VND DREY WOCHE(N) DEREN DER EIIRE (liegt hier ein Schnitzer des Steinmetzen vor, soll das „ewige" heißen?) GETREIE GOTT GNÄDIG VND BARMHERTZIG SEIN VND FRÖLICHE VHRSTEND VERLEIN WELLE AMEN."
Wie Nr. 3 + 4.
6. Für Maria Anna († 1. 1. 160 .?), 181 x 72 cm.
Umschrift: „A ... 160 .. AVFFDE(N) HAILIGEN NEYJAHRS TAG MORGENS ZWISCHE(N) 5 VND 6 VHR STARB DIE EDEL VND THVGENTSAME JVN ... MARIA ANNA VON DACHENHAVSEN MAIN EBERTH WOLFF VON DACHENHAVSEN ANDERE (d. h. zweite) DOCHTER VND HAT GELEBT FÜNFZEHN IAHR FÜNF MONATH VND ZWELF TAG DEREN DER ALMECHTIG EWIG GOTT GNÄDIG VND BARMHERTZIG SEIN VND EIN FREIDENREICH AVFFERSTEHVNG GNÄDIG VERLEY(EN) WÖLL AME(N).
Frontal mit vor der Brust zusammengelegten Händen, sonst wie Nr. 3, 4 + 5.
7. Für Anna Maria († 8. 7. 1605). 101 x 72 cm.
Inschrift oben: Matth. 18,3.
Umschrift: „DA MAN ZALDT 1605 DEN 8 TAG IVLY STARB ANNA MARIA VON DACHENHAVSEN MEIN EBERHARD WOLFF VON DACHENHAVSE ZEHENDE DOCHTER VND HAT GELEBT AYLFF WOCH(EN) DER DER GOTT ALLES TROSTES GNÄDIG SEIN WÖLLE AMEN".
In flacher Rechteckvertiefung Kind in Totenhemd und Halskrause auf ornamentiertem Kissen.


1

In einer Stammtafel der Freiherrn von Dachenhausen werden noch neun weitere Kinder des Ehepaares aufgezählt.

2

Konkav gebogener Schild mit Wappen

3

Flach aufliegender Wandpfeiler, der in der Architektur seit der Antike als Element der Wandgliederung, Portal- und Fensterrahmung eingesetzt wird.

4

Waagrechter den Oberbau tragender Querbalken über Säulen, Pfeilern oder Pilastern in der antiken, bzw. antikisierenden Architektur.

5

Kissen mit Troddeln

6

Kontrapost (lat. „Gegenstück“, ital. „contrapposto“) bezeichnet das Verhältnis von tragendem Standbein und entlastetem Spielbein bei einer Skulptur, wie es in der klassischen griechischen Plastik entwickelt wurde.


Mit freundlicher Genehmigung des Heimatgeschichtsvereins für Schönbuch und Gäu

Die Beschreibung der Grabmäler von Adolf Schahl erfolgte in der Reihenfolge des Sterbedatum der Mädchen. Im Chor der Maurener Kirche sind die Grabmäler zur Zeit (Mai 2004) von links nach rechts folgendermaßen angeordnet:
1. Veronica (1. 3. 1593), 2. Susanna (3. 12. 1603), 3. Sybilla (24. 8. 1598), 4. Kind ohne Namen (1. 5. 1588), 5. Maria Anna (1. 1. 160?), 6. Sibila (29. 5. 1593), 7. Anna Maria (8. 7. 1605)

Hinweise für Besucher:
Die Kirche in Mauren befindet sich in Privatbesitz. Eine Besichtigung ist jedoch nach Absprache mit der Familie Kenntner-Scheible, die auch das Hofgut Mauren bewirtschaftet, möglich. Interessierte Besucher erreichen die Familie Kenntner-Scheible unter folgender Telefonnummer: 07034 / 653542.

Literaturhinweis:
Barbara Leisner: Grabmale für Kinder. In: Grabkultur in Deutschland. Geschichte der Grabmäler, hrsg. von der Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal/Museum für Sepulkralkultur, Kassel, Dietrich Reimer Verlag GmbH, Berlin 2009, S. 309-332.

Links:
Heimatgeschichtsverein Ehningen
Gemeinde Ehningen
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