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Die ehemalige Wallfahrtskirche St. Pelagius in Mauren

Quelle: Mauren – ein geschichtliches Kleinod. In: Maurener Impressionen - Dokumentation 20 Jahre Musik und Kunst in Mauren. Festschrift „10 Jahre Sommerreigen zu Gast in Mauren“, herausgegeben von der Musik- und Kunstschule der Stadt Böblingen, 2001

Autor: Dr. Günter Scholz

Bild: St. Pelagius in Mauren war einst eine bedeutende Wallfahrtskirche und früher ein Filial der Altdorfer Pfarrkirche. Gesamtansicht der Chorseitenturmanlage von Nordwesten - klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

Mauren im oberen Würmtal zwischen Holzgerlingen und Ehningen lag einst in der Nähe einer uralten Verkehrsader, der Rheinstraße, die im Böblinger Raum von Dagersheim zum Schönbuch verlief. Urkundlich erstmals erwähnt ist Mauren 1320. Der Name „Mauren“ wird in Verbindung gebracht mit alten Mauerresten – vielleicht von einem römischen Gutshof.1*

Die ehemalige Wallfahrtskirche
Nähert man sich Mauren heute nach einem Spaziergang durch den Böblinger Stadtwald, so rückt am Ende des Waldes die malerisch gelegene, verhältnismäßig große Kirche in den Blick: ehedem war sie eine bedeutende Wallfahrtskirche. Diese ging auf eine 1320 erstmals genannte Kapelle zurück und war der heiligen Maria und dem heiligen Pelagius, Mitpatron des Bistums Konstanz, geweiht. Die Bedeutung der Kirche stieg dadurch, dass Papst Urban V. ihr im Jahr 1363 Ablass, d.h. den Nachlass zeitlicher Sündenstrafen durch Ableisten frommer Werke, für die Besucher erteilte. Im späteren Mittelalter mit seiner immer stärker aufblühenden Heiligenverehrung wurde Mauren zu einem Mittelpunkt der katholischen Frömmigkeit. Menschen aus nah und fern suchten hier Seelenheil. Als Fürbitter wurden in Mauren jetzt auch die heilige Katharina, Maria Magdalena, Barbara, Margarete und der heilige Erhard angerufen.

Im Mittelpunkt der Maurener Wallfahrt stand freilich die Verehrung der Muttergottes. Der im Württembergischen Landesmuseum Stuttgart aufbewahrte Torso2* der „Madonna von Mauren“ erinnert noch heute daran. Dieses um 1360 entstandene, früher bemalte Holzbildwerk zeigt einen schlanken Frauenkörper und ein vollwangiges Antlitz: Das Unirdische der Himmelskönigin und das Irdische einer mittelalterlichen Bürgersfrau stehen in spannungsreichem Kontrast.

Bild: Nur der Chor der Maurener Kirche dient heute noch gottesdienstlichen Zwecken.

Der weltlichen Seite des damaligen Wallfahrts-Wesens begegnete man in Mauren beim sogenannten „Bolaimarkt" worin die volkstümliche Namensform des heiligen Pelagius anklingt. Alljährlich am Fest des heiligen Pelagius setzte am 28. August ein lebhaftes Markttreiben ein, das freilich nur wenige Stunden dauerte. Gelegentlich wurde der Markt dabei bis in die Kirche hineingetragen - was im Jahr 1627 zur Klage führte, dass die „Kirche zu einem Kaufhaus" würde.

Mit der Reformation, die Wallfahrten, Prozessionen und ähnliche Formen sichtbarer Frömmigkeit ablehnte, ging die große Zeit von Mauren zu Ende. Zu Zeiten Herzog Christophs im Jahr 1555 war das Gnadenbild der Muttergottes bereits aus der Kirche entfernt - von einer zeitgenössischen Quelle als das „abgöttisch bild" bezeichnet. Die Kirche hatte ihre eigentliche Funktion verloren, der Verfall begann. Im Jahr 1823 erwarb sie der Freiherr Friedrich Wilhelm Ludwig von Koenig zusammen mit dem Friedhof und dem Mesnerhaus. Dabei nahm er eine teilweise Säkularisation vor: zwischen Kirchenschiff und Chor ließ er eine Trennwand errichten. Das Schiff wird seitdem als landwirtschaftlicher Lagerraum genutzt, nur der Chor dient noch gottesdienstlichen Zwecken.

Bild: Das barocke Grabmal (3,05 x 1,37 m) für Georg Friedrich Schertlin von Burtenbach (1642-1703), Obervogt in Tübingen und Heidenheim, und seine Frau Ursula (1644-1716) in der Maurener Kirche. Über dem vertieften Feld mit der Inschrift stehen die beiden Vollwappenschilde der Familie Schertlin (auch die Gemahlin war eine geborene Schertlin) und um diese herum die Wappenschilde der Ahnen. Ein kriegerisches Trophäenensemble bildet den Aufsatz, die Sockelaussparung blieb leer – klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

Die spätgotische Maurener Kirche mit ihrem breiten Schiff wurde um 1460/70 erbaut, zu einer Zeit als der wachsende Zustrom der Wallfahrer von ihrem Vorgängerbau aus romanischer Zeit nicht mehr gefasst werden konnte. Von kunstgeschichtlichem Interesse im Kirchenschiff ist u. a. ein verblichener Wandzyklus mit der Darstellung des Lebens Christi. Im schlanken kreuzrippengewölbten Chor sind vor einiger Zeit übertünchte Wandmalereien mit der Darstellung der Geburt Mariens zutage getreten. Die Grabmale für die sieben Töchter des Eberhard Wolf von Dachenhausen und seiner Gattin Veronika, im späten Renaissancestil in der Werkstatt von Leonhard Baumhauer in Tübingen geschaffen, sind ein eindringliches Zeugnis der hohen Kindersterblichkeit in der frühen Neuzeit. Künstlerisch und genealogisch bemerkenswert ist das barocke Grabmal für Georg Friedrich Schertlin von Burtenbach (1703).

1

römische Mauerreste = Lat. „muri“

2

nicht vollständig erhaltene oder absichtlich unvollständige Skulptur

Mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Herausgebers.

Hinweise für Besucher:
Die Kirche in Mauren befindet sich in Privatbesitz. Eine Besichtigung ist jedoch nach Absprache mit der Familie Kenntner-Scheible, die auch das Hofgut Mauren bewirtschaftet, möglich. Interessierte Besucher erreichen die Familie Kenntner-Scheible unter folgender Telefonnummer: 07034 / 653542.

Links:
KircheBB
Heimatgeschichtsverein Ehningen
Gemeinde Ehningen

Literaturhinweise:
Dr. Adolf Schahl
Die ehemalige Wallfahrts- und Pfarrkirche zu Mauren
In: Aus Schönbuch und Gäu
Beilage der Kreiszeitung Böblinger Bote, 1+2/1974

Kirchen im Landkreis Böblingen
Hrsg. Evang. Kreisbildungswerk und Kath. Bildungswerk Kreis Böblingen
Red. Fritz Heimberger
Verlag Schnell & Steiner, München/Zürich, 1990, S. 15-16

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