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Melchior, Muttergottes und Altarkreuz

Zur Ausstattung der Maurener Wallfahrtskirche

Quelle: „Die ehemalige Wallfahrts- und Pfarrkirche zu Mauren“. In: Aus Schönbuch und Gäu. Beilage der Kreiszeitung Böblinger Bote, 1+2/1974., S. 11-12

Autor: Dr. Adolf Schahl

Bild: Das gotische Gnadenbild der Muttergottes von Mauren befindet sich heute im Magazin des Württembergischen Landesmuseums in Stuttgart. Es war bereits nach der Reformation als „abgöttisch bild" aus der Kirche entfernt worden. Gut zu erkennen sind die Reste der mittelalterlichen Farbfassung. Der Mantel der Maria leuchtete einst in strahlendem Blau. (Foto: Fritz Mühlenbeck) - klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

Das Gnadenbild der Muttergottes
1893 erwarb die Kgl. Altertümersammlung Stuttgart von Alexander Freiherrn von Dusch (gest. 1923 auf Mauren) das Holzbildwerk einer 1,17 m hohen und 0,46 m breiten sitzenden Muttergottes, deren das Kind haltenden Unterarme und Hände mitsamt dem Kind fehlten. Da die Figur aus Schloss Mauren stammt, haben wir in ihr mit Sicherheit das ehemalige Gnadenbild der Liebfrauen-Wallfahrtskirche vor Augen. Julius Baum hat sie auf die Zeit „um 1350" datiert.1*

Maria sitzt auf einer Bank. Der Mantel, der sie umhüllt und unten mit einem Saum gegen das Kleid abschneidet, schwingt über dem Schoß auseinander — hier haben wir uns das Jesuskind zu denken — und um die in Stümpfen erhaltenen Unterarme herum zu den Schultern. Den Kopf bedeckt eine einst von einer Krone bedeckte Haube mit einem sog. „Krüseler", dessen Enden über die Brust niederfallen. Die stark unterschnittenen Röhrenfalten der Beinpartie — man empfindet sie bezeichnenderweise als aufsteigend — geben dem Sitzen der Gestalt etwas Schwebendes; nicht unwichtig für diesen Eindruck ist auch die Schüsselfalte zwischen den Knien. Die steile Schlankheit des Oberkörpers aber wird in einem ähnlichen Sinne von den schwingenden Linien der Mantelsäume begleitet. Wir sollen Maria als eine unirdische Erscheinung, als die Himmelskönigin schauen.

Gegensätzlich dazu ist das Antlitz entwickelt. Es ist das einer vollwangigen Bürgersfrau mit einer modischen Kopfbedeckung. Hier spürt man deutlich den Einfluss der Parlerplastik2*, weshalb man auch die Figur eher um 1360 ansetzen möchte. So steht das Gnadenbild form- und geistesgeschichtlich an der Wende zwischen zwei Zeiten: jenseitig und diesseitig zugleich. Vielleicht hat eben dies dem Bild eine Wirkung gesichert, die mit der Vorstellung Mariens als Gnadenmittlerin zusammenhängt. Dabei darf nicht vergessen werden, dass sowohl jene Wirkung als diese Vorstellung ohne das Jesuskind unmöglich gewesen wären, das allem Anschein nach auf ihrem Schoß stand und von den Händen der Mutter gehalten wurde. Es war der Kern der gesamten „Bildfigur".

Bild: Außer der Madonna verkaufte die Familie von Dusch auch die Lindenholzskulptur eines anbetenden Königs. Im Inventar des Württembergischen Landesmuseums wird sie als „Hl. Melchior“ geführt. Vermutlich wurde die Figur „um 1400“ im südwestdeutschen Raum hergestellt. Dem knienden Heiligen mit dem auffällig langen, dunklen Bart fehlen, - wie der Madonna – beide Hände. Vermutlich war er einst Bestandteil einer Anbetungsgruppe der Heiligen drei Könige. (Foto: Fritz Mühlenbeck) - klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

Hl. Melchior
Nicht minder gut in ihrer Art ist die Figur eines 0,85 cm hohen, aus Lindenholz geschnittenen, anbetenden Königs, die sich ebenfalls im Württ. Landesmuseum Stuttgart befindet und aus Schloss Mauren stammt, das heißt aber mit einem hohen Grad von Wahrscheinlichkeit aus der Kirche selbst. Als Entstehungszeit lässt sich das frühe 15. Jahrhundert angeben. Das Meisterwerk wird durch einen Beilhieb über das Gesicht entstellt (Nase neu); auch die Hände wurden abgeschlagen. Ungestört aber wirkt noch die Schwingung der Gewandfalten, aus denen sich die Gestalt erhebt und die einst in den erhobenen Händen und dem Haupt sinnvoll ausklang, wobei der Bart formal zwischen Rumpf und Kopf vermittelt. Eine Arbeit aus einem Guss!

Bild: Das barocke Altarkreuz aus Elfenbein und Ebenholz verblieb in der Maurener Kirche - klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

Altarkreuz aus Elfenbein
[Im Jahre 1827] wurde vom Freiherrn von Koenig ein elfenbeinernes Altarkreuz gestiftet. Es hat sich erhalten und ist ein Werk von höchster Qualität.

Christus (28 x 31,5 cm) hängt leicht durchgesunken am Kreuz, das aus schwarzem Ebenholz gearbeitet ist. Die Füße sind nebeneinander genagelt, eine Seitenwunde ist nicht zu sehen. Das Haupt ist nach rechts aufwärts gekehrt; diese Richtung wird unmerklich fast dadurch gefördert, dass der rechte Bausch des knitterigen Lendentuches höher liegt als der linke, und die linke Hand ein wenig höher angenagelt ist, als die rechte. Aus all dem wird deutlich, dass es nicht der tote Christus ist, den wir hier vor Augen haben, sondern der noch lebende, um die Ergebung in den Willen des Vaters ringende. Diese Auffassung hat ihren Ursprung in der „heroischen" Vorstellung des Barocks von dem am Kreuz kämpfenden Menschen- und Gottessohn. Der Corpus ist verhältnismäßig flach entwickelt, was dem Ausdruck des Angehefteten entspricht; dennoch sind alle Muskeln in höchster Anspannung. Die Modellierung ist ganz ausgezeichnet, auch nach der psychisch physiognomischen Seite hin im Antlitz. Dabei wird der Charakter des Aufgewühlten in der Formgebung des Lendentuches vorbereitet, eine Entsprechung, wie sie sich nur bei großen Meisterwerken findet. Als Entstehungszeit wird man das 4. Viertel des 17. Jahrhunderts vorschlagen dürfen.

1

Katalog der Kgl. Altertümersammlung Stuttgart, Bd. III, Julius Baum: Deutsche Bildwerke des 10. – 18. Jahrhunderts, Stuttgart 1917, Nr. 51, S. 103-104.

2

Parler: weit verzweigte Baumeister- und Bildhauerfamilie des 14. Jahrhunderts.

Mit freundlicher Genehmigung des Heimatgeschichtsvereins für Schönbuch und Gäu e.V. und des Landesmuseums Baden-Württemberg.

Hinweise für Besucher:
Die Kirche in Mauren befindet sich in Privatbesitz. Eine Besichtigung ist jedoch nach Absprache mit der Familie Kenntner-Scheible, die auch das Hofgut Mauren bewirtschaftet, möglich. Interessierte Besucher erreichen die Familie Kenntner-Scheible unter folgender Telefonnummer: 07034 / 653542.

Links:
Heimatgeschichtsverein Ehningen
Gemeinde Ehningen

Literaturhinweis:
M. Landenberger
Die Muttergottes aus Mauren
In: Aus Schönbuch und Gäu 6/1958

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