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"Der Charakter der Einwohner ist gutartig" Döffingen in der Beschreibung des Böblinger Oberamts von 1850 Quelle: Beschreibung des Oberamts Böblingen. Herausgegeben von dem königlichen topographischen Bureau. Stuttgart und Tübingen 1850. | ||||
Döffingen, ein 2 Stunden nordwestlich von der Oberamtsstadt und 3 Stunden östlich von Calw gelegenes Pfarrdorf mit 1162 Einwohnern, worunter sich 13 der Pfarrei Dätzingen zugetheilte Katholiken befinden. Der ziemlich große, aber eng und winkelig gebaute Ort hat größtentheils eine südwestlich abhängende Lage gegen das ziemlich tief eingeschnittene Schwippethal. Wegen der Abmachung verlauft sich bei Regengüssen das Wasser schnell, was zur Reinlichkeit des Orts viel beiträgt, dazu kommt noch, daß nicht nur auf die den untern Theil des Dorfs durchziehende Böblinger-Calwer Landstraße, sondern auch auf die Ortswege viel Sorgfalt verwendet wird. Die meist aus Holz mit steinernem Unterstock aufgeführten Gebäude sind beinahe alle durch Anbaue entstellt und machen keinen angenehmen Eindruck. Gutes Trinkwasser, das übrigens nur aus Pump- und Ziehbrunnen gewonnen wird, ist hinreichend vorhanden. ... Da sich das Thal gerade gegen Nordwesten öffnet und den vom Schwarzwald herwehenden rauhen Winden freien Zutritt gestattet, so ist die Luft etwas feucht und kalt. ... Die beinahe in der Mitte des Dorfs gelegene Pfarrkirche hat in ihrer Bauart nichts bemerkenswerthes, da sie in den Jahren 1642 - 1649, demnach in einer Zeit erbaut wurde, wo bittere Noth der Kunst gebot. Das Innere ist nicht besonders hell und für die gegenwärtige Gemeinde etwas zu klein. ... Am östlichen Ende des Langhauses steht der viereckige massive Thurm, dessen Gewölbe im untern Stockwerk die Stelle des Chors vertritt. Es ist offenbar älter als die gegenwärtige Kirche. ... Der um die Kirche gelegene befestigte Begräbnisplatz, welcher in der bekannten Schlacht bei Döffingen eine so bedeutende Rolle spielte, wurde 1837 aufgegeben und ein neuer am östlichen Ende des Orts angelegt. Von den alten Mauern dieses Kirchhofs ist noch ein bedeutender Theil vorhanden; sie sind ziemlich dick und zeigen noch an manchen Stellen Reste des ehemaligen Umganges. ... Das 130 Schritte von der Kirche südlich gelegene Pfarrhaus ist ein altes, schon 1659/60 erbautes Gebäude, welches durch mehrfache An- und Nebenbaue eine seltsame Physiognomie erhielt, übrigens doch in ordentlichem Zustande sind befindet. ... Nur durch einen schmalen Fußpfad ist das 1821 neu erbaute Schulhaus mit Lehrerwohnung von der westlichen Kirchhofmauer getrennt. An der Schule unterrichten 1 Lehrer und 1 Lehrgehilfe. Zur Anschaffung von Schulbüchern sind 2 Stiftungen vorhanden. ... Seit etwa 10 Jahren besteht eine Strick- und Nähschule, welche hauptsächlich durch Beiträge des Centralwohlthätigkeitsvereins ins Leben gerufen wurde. Das alte an der Hauptstraße gelegene Rathhaus wurde 1840 reparirt und befindet sich nun in ordentlichem Zustande. Ein Gemeindebackhaus besteht seit 1843 und ein öffentliches Waschhaus schon von lange her. Die Einwohner sind im Allgemeinen gesund und keinen besondern Krankheiten unterworfen. Kinder sterben sehr häufig an Gichtern, Erwachsene an Schleimfiebern und Brustaffectionen. In den Jahren 1834 und 1839/40 grassirte das Nervenfieber und im Frühjahr 1849 trat eine Pockenepidemie auf. Der Charakter der Einwohner ist gutartig; die Nachtheile städtischer Halbkultur haben bei ihnen noch weniger Eingang gefunden, als in einigen andern Orten des Bezirks. Wenig befriedigend sind ihre Vermögensumstände, was theils von der unverhältnißmäßigen Zunahme der Bevölkerung (welche sich vom Jahr 1761 bis zum Jahr 1848 von 423 Seelen auf 1162 vermehrte), theils von einer lang dauernden schlechten Ortsverwaltung herrührt; übrigens hebt sich in neuerer Zeit durch Fleiß der Wohlstand Einzelner, so gut als es unter den gegenwärtigen Verhältnissen seyn kann. Die Hauptnahrungsquellen bestehen in Feldbau, Viehzucht und Weberei. ... Die Erzeugnisse der zu ¾ angebauten Brache sind Kartoffeln, Erbsen, Linsen, Rüben, Futterkräuter besonders aber viel Hanf, der hier sehr gut geräth und allgemein gesucht ist. Er wird nicht allein in der Brache, sondern auch in besondern Hanfländern gezogen und theils roh, theils im Ort versponnen und verwoben, zum Verkauf gebracht. ... Einer besonderen Erwähnung würdig sind die Verdienste des dermaligen Pfarrers Zeller, der mit unverdrossenem Eifer die Jugend zur Obstbaumzucht auf eine zweckentsprechende Weise anleitet, indem er im Jahr 1842 an dem sogenannten Kreuzberge unter seiner und eines weitern obstzuchtverständigen Mannes Leitung jeden Schulknaben einen jungen Obstbaum pflanzen ließ und jedes Jahr für die in die Schule eintretenden Knaben Obstbäume setzt. ... Von den Gewerben ist das der Weber am stärksten vertreten; gegen 60 Meister, von denen ungefähr 15 in Baumwolle, die übrigen in Linnen arbeiten, sind für benachbarte Fabriken beschäftigt oder verfertigen Packleinwand auf den Verkauf. Mit seinem Tischzeug beschäftigen sich besonders die Gebrüder Widmaier und Kemmler Vater und Sohn. Die Tuchfabrik von Maurer verarbeitet auf 1 Stuhl jährlich etwa 25 Centner Wolle. Mehrere Familien ernähren sich mit Flechten und Strohböden und Backkörben, einzelne auch mit Bürstenmachen. Das Sammeln officineller Kräuter wird an keinem Ort des Bezirks so emsig betrieben als in Döffingen. Im Ort befinden sich 3 Schildwirthschaften, 2 Bierbrauereien und 3 Krämer. Die Staatsstraße von Stuttgart nach Calw, die der Länge nach durch den Ort führt, bringt demselben manchen Verkehr. ... Döffingen gehörte in der ältesten Zeit zur Grafschaft Calw. ... Die Calwer Herrschaft in dieser Gegend gelangte im 13. Jahrhundert an das pfalzgräfliche Haus Tübingen, von welchem der Ort zugleich mit Böblingen im 14. Jahrhundert an Württemberg kam. ... Döffingen ist sehr berühmt geworden durch die siegreiche Schlacht, welche im Jahr 1388 am 23. (nicht 24.) August, einem Sonntag, Morgens frühe Graf Eberhard der Greiner den Städtern lieferte. Der Verlust, welchen die letzteren hier erlitten, und die Uneinigkeit, welche in Folge dieser Niederlage unter ihnen entstund, brachte die Macht des Städtebundes in Schwaben, durch welchen dieses Land leicht eine dem südlichen Nachbarlande ähnliche Gestalt erhalten hätte, zum Sinken. Für König Wenzel wurde der Ausgang dieser Schlacht Mitursache, daß er, der Regierung in Deutschland völlig überdrüssig, zur Niederlegung der römischen Krone sich entschloß. - Der Kampf bewegte sich, auch nach den Fundorten ausgegrabener Pfeilspitzen zu schließen, um den Kirchhof, welcher den Anhängern des Grafen Eberhard zur Veste und zum Flüchtungsplatze diente, in der Richtung des gegen Renningen und Leonberg hinlaufenden Trockenthales; durch dieses Thal soll der Graf hergezogen seyn und dadurch die den Kirchhof belagernden Städter, welche von Weil hergezogen waren, in dem Rücken gefaßt haben. Eberhards Heer bestund aus 600 Glefen1* (eingerechnet die von Pfalz und Baden zur Hülfe hergezogenen) und 2000 württembergischen Bauern; der Städter waren 700 Spieße zu Roß und 1100 zu Fuß. Die für ihn günstige Wendung der Schlacht verdankte der Graf hauptsächlich dem Umstand, daß die Herren von Bitsch und Werner von Rosenfeld, württembergischer Vogt in Tübingen, mit frischer Mannschaft (100 Glefen) herbeieilten, und daß die Nürnberger die Flucht ergriffen. Auf der Städter Seite fiel der Anführer Conrad Besserer von Ulm nebst 1000 (nach anderen 800) Kampfgenossen; 600 (nach anderen 400) Städter wurden gefangen. Auf der Württemberger Seite erlagen ein Graf von Löwenstein, ein Graf von Werdenberg, vor allen aber Graf Eberhards Sohn, Graf Ulrich, welcher in jugendlicher Hitze, um die im Jahre 1377 bei Reutlingen erlittene Scharte auszuwetzen, allzurasch verfocht. Nach der Nördlinger Schlacht hatte Döffingen das Unglück am 8. September 1634 ganz in Asche gelegt zu werden. (nur die Mühle und das Schafhaus bleiben verschont) und einen auf 87.340 fl. 40 fr.2* geschätzten Schaden zu erleiden. Die Kirche wurde 1649 wieder aufgebaut und erst 1661 vollendet. ...
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Der Text wurde gekürzt Eine ungekürzte Version der Beschreibung von Döffingen finden sie auf dem Internet-Portal Wikisource. Mit freundlicher Genehmigung des Bissinger-Verlags Magstadt. Die Württembergischen Oberamtsbeschreibungen Im Jahre 1820 wurde auf Dekret König Wilhelms I das “königliche statistisch-topographische Bureau“ in Stuttgart gegründet. Zwischen 1824 und 1886 entstanden dort Beschreibungen aller 64 württembergischen Verwaltungsbezirke und ihrer Gemeinden. Als 26. Band erschien 1850 die Beschreibung des Oberamts Böblingen. Auf dem Internet-Portal Wikisource kann diese bereits vollständig abgerufen werden. Diese Seite drucken |
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