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Grabdenkmale an der Gültsteiner Kirchhofmauer


Quelle: Die Peterskirche in Gültstein. 1091 – 1991, hrsg. von der Ev. Kirchengemeinde Gültstein, Herrenberg 1991, S. 77-79

Autoren: Jürgen Kresin / Andrea Gackenheimer
In früherer Zeit umgab der Friedhof die Pfarrkirche. Das Leben der Menschen war von der Taufe bis zur letzten Ruhestätte eng mit der Kirche verbunden. Im Jahre 1830 verlegte man den Friedhof nach außerhalb, da sich der alte Platz allmählich als zu klein erwies.

Heute zeugen an der Kirchhofsmauer nur noch einige Grabdenkmale von dem früheren Vorhandensein des Friedhofs. Bei diesen steinernen Monumenten handelt es sich meist um Epitaphien, die dem Toten zum Gedächtnis erstellt wurden, während das Grab selbst an anderer Stelle des Friedhofs lag. An der Kirchhofsmauer, sowohl außen als auch innen, finden sich eingemauerte Epitaphien, die erst in neuerer Zeit wieder entdeckt wurden, da sie zwischenzeitlich als Wegplatten Verwendung gefunden hatten. Auch Grabsteine, nur mit eingemeißeltem Namen und dem Todesjahr, sind noch vorhanden.

Denkmal der Kindersterblichkeit
Epithaph für die vier Kinder von Jacob und Martha Binder


dieses denckmal
der inigsten Liebe und Zärtlichkeit errichten thränende Eltern, nemlich Jacob Fried. Binder, bürger u. bauer allhie und Martha, geborne Binderin Ihren geliebten vier Kindern, welche ihnen in dem kurzen Zeit Raum von 4. Monat durch den Tod entrissen wurden, und deren entseelte Gebeine in dieser Stätte ruhen. diese seelig vollendete hiesen Jacob Fried: gb. d. 15. Feb. 1805, gst. d. 6. Juli 1814 Jacob, gb. d. 1. Decb. 1811, gst. d. 7. Juli 1814 An(n)a Maria, gb. d. 24. Nov.1807, gst. d. 23. Juli 1814 An(n)a Maria, gb. d. 1. Sept. 1814, gst. d. 8. Nov. 1814 Vier liebe Kinder müssen wir hier missen, die uns in kurzer Zeit der Tod entrissen. O welches Leid. Und doch verbleibt wenn wir An dieser Stätte des Schmerzens stehen Uns allezeit die Hoffnung eines frohen Widersehen in jener Ewigkeit

Ferdinand Schweickhardt. Steinhauer 1815

Bild: Denckmal der inigsten Liebe und Zärtlichkeit“ - Gedenkstein für die vier Kinder von Jacob und Martha Binder. – Für eine Gesamtansicht klicken Sie bitte hier

Der achtjährige Friedrich und seine siebenjährige Schwester Anna Maria starben beide an Masern. Ihr zweijähriges Brüderchen Jacob starb zwar nur einen Tag nach seinem Bruder, als Grund wird im Totenbuch aber "Scorbut" angegeben (eine Mangelerscheinung an Vitamin C). Bei dem großem Leid mag es für die Eltern ein Trost gewesen sein, dass erneut Nachwuchs unterwegs war. Und als die kleine Anna Maria zur Welt kam, erhielt sie - wie früher üblich - den Namen der verstorbenen Schwester. Doch lange sollte die Freude der Eltern nicht währen. Bereits neun Wochen später starb auch sie an den „Gichtern“, wie so viele Säuglinge jener Zeit. ...

Bild: Epitaph für die 1751 verstorbene Franziska Elisabeth Wittleder. In vier Jahren gebar sie drei Kinder, die alle bald darauf starben. Bei der Geburt ihres vierten Kindes starb sie im Alter von 26 Jahren im Kindbett - klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

Epitaph für Franziska Elisabeth Wittleder und ihre drei Kinder

Wittleder Frau Francisca Elisabetha Wittlederin Räthin und Pflegerin zu Gülstein gebohrne von Gültling erzeugt zu Berneck D. 7 Sept: 1725 von Ihro Gnaden Herrn Ludwig Ferdinand Fridrich Frey Hrrn von Gültlingen und Ihro gnaden Frau Susana Margretha Regina
(...) von Hem(m)igen vermählt D. 4. Aug 1747 in Gültstein. Christl. Drchl. zu Württenberg Rath u.: Pfleger alda Caspar Laurentius Wittleder wittwer Er zeigte nebst eim abortu in 4 Jahr 3 Kinder die nun alle daligen; zwische(n) 2 vor Ihro gestorbe(n) wolle sie da begraben werden u.: das letzte so nach Ihrem Tod noch lebendig auß Ihrem Leib geschnitten wurde, aber gleich balde, starb. nahm sie mit sich in Ihre(n) Arme(n) zu grabe starb Di 20. Jan. 1751 im 26. Jahre wurde d. 22. jan. nachts ... begraben so ruhet dan: wohl ihr Toden beine bey eurer Mutter ihr Kinder kleine

Der Rat Caspar Laurentius Wittleder trat 1740 sein Amt als Hirsauischer Pfleger in Gültstein an. Er war alles andere als ein christlich-sanftmütiger Mann. Seine insgesamt drei Ehefrauen behandelte er sehr schlecht. Die zwei Kinder aus erster Ehe wurden deshalb von seinen Schwiegereltern zu sich genommen.

Nach dem Tod seiner ersten Frau begab sich Wittleder 1747 wieder auf Freiersfüße. Seine Auserwählte, die 22jährige Franziska Elisabeth von Gültlingen-Berneck, raubte er kurzentschlossen, als sie sich bei Verwandten in Schwandorf aufhielt. In Gültstein angekommen, zwang er Pfarrer Pichler zur sofortigen Trauung. Zwar wurden er und der Pfarrer später bestraft, aber die Ehe blieb gültig. In den folgenden dreieinhalb Ehejahren schenkte Franziska nach einer Fehlgeburt zwei Kindern das Leben. Als sie das vierte erwartete, starb sie. Der Versuch, das Ungeborene zu retten, gelang zwar, aber es starb bald darauf und wurde mit der Mutter beerdigt.

Wittleder blieb nicht lange allein und heiratete eine geborene Stuber aus Urach. Bald darauf wurde er als Kirchenkastenverwalter nach Stuttgart gerufen. 1762 erhielt er den Rang eines Kirchenratsdirektors, um für Herzog Karl Eugen Geld für dessen aufwendigen Lebensstil zu beschaffen. Ohne Skrupel entnahm er hierfür 550.000 Gulden aus dem Kirchengut. Als er keine weiteren Summen mehr aufbringen konnte, fiel er Ende 1766 in Ungnade. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er als kurpfälzischer Geheimer Rat in Heidelberg, wo er am 14. Dezember 1769 starb.

Der Text wurde gekürzt.

Mit freundlicher Genehmigung der Autoren und der Kirchengemeinde Gültstein.

Die 80 Seiten starke Broschüre „Die Peterskirche in Gültstein 1091-1991“ ist für 5,00 Euro beim Ev. Pfarramt Gültstein, Cranachstr. 4, 71083 Herrenberg, Tel: 07032/71395, erhältlich.

Grabsteine – Zeugnisse der Kindersterblichkeit
Ein sprechendes Zeugnis der Kindersterblichkeit vergangener Zeit befindet sich in der ehemaligen Wallfahrtskirche von Mauren. Lesen Sie hierzu in „Zeitreise-BB“ den Artikel „Die Grabmäler der sieben Töchter des Eberhard Wolf von Dachenhausen“.

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