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Das Hofgut Schaichhof

Quelle: Holzgerlingen – Von der Schönbuchsiedlung zur Stadt, WEGRAhistorik-Verlag Eberhard Hartenstein + Partner Stuttgart, 1995, S. 179 ff.

Autor: Eberhard Fritz
Schaichhof Kieser'sche Karte

Bild: Bild des Schaichhofs von 1683, aus dem Kartenwerk des Andreas Kieser (Bild: Hauptstaatsarchiv Stuttgart H107/18 Bd. 52 Bl. 22)

König Wilhelm I. von Württemberg ging nach seinem Regierungsantritt im Oktober 1816 sofort daran, längst überfällige Reformen einzuführen. Eine seiner Leidenschaften war die Landwirtschaft, welche er nicht nur als Regentenpflicht ansah, sondern unter großem persönlichem Einsatz förderte. Neue Methoden in Tier- und Pflanzenzucht sollten erprobt werden, um die Ertragsfähigkeit zu steigern.

Unter diesem Gesichtspunkt ordnete Wilhelm I. seinen Güterbesitz, der als Privatvermögen von der Hofdomänenkammer verwaltet wurde, neu. Nun verfügte der König den Kauf von weiteren geschlossenen Gütern, um sie als Musterbetriebe einzurichten. Im Sommer 1823 wurden die Beamten benachrichtigt, daß Dr. Leopold Klotz den Schaichhof bei Holzgerlingen verkaufen wolle. Es handelte sich um ein sehr schönes, ertragreiches Gut, dessen Wert aber durch ein Schafweiderecht der Gemeinde Holzgerlingen und einen Streit um die Wasserrechte zweier Mühlen in Weil im Schönbuch sowie durch hohen Wildschaden geschmälert wurde. Mit dem Vertrag vom 23. April 1824 verkaufte Dr. Leopold Klotz die 359 Morgen (113 Hektar) große Domäne um 38 000 Gulden an die Hofdomänenkammer.

Als erster Pächter übernahm der Mähringer Gemeindepfleger Johann Georg Diegel den Schaichhof. (...) Er mußte sich verpflichten, mindestens 75 Stück Vieh in der damals keineswegs überall eingeführten Stallfütterung zu halten. Diegel richtete eine Schmiede und eine Weinschenke ein. Obwohl ihm der Wildschaden große Probleme bereitete, betrieb er die Domäne vorbildlich, weil er für neue Erkenntnisse in der Landwirtschaft aufgeschlossen war. Zur Arrondierung der Domäne kaufte die Hofdomänenkammer zahlreiche Grundstücke; so vergrößerte sich der Schaichhof auf 485 Morgen (152 Hektar).

Luftbild Schaichhof

Bild: Luftbild der Domäne Schaichhof aus den 30er Jahren. – Bitte klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern. (Foto: Archiv Hofkammer Haus Württemberg Altshausen)

Bald jedoch kam es im Königreich Württemberg zu einer starken Wirtschaftskrise, verursacht durch Mißernten und Hagelschlag. Die großen Güter waren von der Krise nicht im selben Maß betroffen, weil sich infolge des vielfältigen Anbaus Ernteausfälle nicht gleich verheerend auswirkten. Wie auf anderen Hofkammerdomänen ließ König Wilhelm I. arme Einwohner der umliegenden Gemeinden, besonders aus Holzgerlingen, auf dem Schaichhof arbeiten.

Durch die Ablösungsgesetzgebung entfielen einige Abgaben, die ihre Berechtigung verloren hatten. Trotzdem zog Christoph Friedrich Geyer 1847 vom Schaichhof ab und überließ die Bewirtschaftung seinem Bruder. Dieser zeigte Interesse an einer Verlängerung des Pachtverhältnisses. Plötzlich trat aber die Zuckerfabrik Böblingen mit einem wesentlich höheren Angebot auf. Da der Rübenanbau viel Erfahrung und einen sehr hohen Arbeitsaufwand erforderte, bauten die kleineren Bauern lieber andere Früchte an; deshalb gingen die meisten Zuckerfabriken sehr schnell dazu über, größere Güter zu pachten, um Zuckerrüben in Eigenregie zu pflanzen. In direkten Verhandlungen mit dem Pächter gelang es der Zuckerfabrik, in das Pachtverhältnis einzutreten. Sie setzte einen Verwalter ein.

Der großflächige Zuckerrübenanbau auf dem Schaichhof stieß auf manche Schwierigkeiten. Im Taglohn wurden zeitweise über 180 Personen aus sieben umliegenden Ortschaften zur arbeitsaufwendigen Bestellung der Rübenfelder eingesetzt. Zu allem Überfluß geriet die Zuckerfabrik Böblingen im März 1861 in Konkurs. Sie wurde von der Zuckerfabrik Heilbronn aufgekauft, welche das Pachtverhältnis fortsetzte.

In den achtziger Jahren war nur noch ein Viertel der Ackerfläche mit Rüben eingesät, nach 1900 betrug der Anteil gar nur noch 15 Prozent. Dafür dehnte sich der Weizenanbau ständig aus. Durch den Bau von Eisenbahnstrecken fanden viele Frauen und Männer aus den umliegenden Dörfern besser bezahlte Arbeit in der Industrie des weiteren Umkreises und fielen als landwirtschaftliche Arbeitskräfte aus. Im Frühjahr 1907 geriet die Heilbronn-Böblinger Zuckerfabrik in Konkurs, wurde von der Zuckerfabrik Stuttgart-Cannstatt aufgekauft und stillgelegt. So schrieb die Hofdomänenkammer nach vielen Jahrzehnten den Schaichhof erstmals wieder öffentlich zur Verpachtung aus.

Während des Ersten Weltkriegs stellte der Schaichhof einen wichtigen Faktor in der Nahrungsmittelversorgung der Region dar. (...) Erst nach der Währungsreform im Herbst 1923 kehrten wieder normale Verhältnisse ein. Die Domäne erhielt einen Wasseranschluß und zur Lagerung der Futtervorräte nach dem Vorbild anderer Hofkammerdomänen ein Silo. (...) Im April 1945 besetzten alliierte Truppenverbände Südwestdeutschland. Noch lange waren die Folgen des Krieges zu spüren. Im Zug der Bodenreform folgten teilweise oder vollständige Enteignungen von Hofkammerdomänen. Vom Schaichhof wurden 40 Hektar ertragreicher Flächen an die Gemeinde Holzgerlingen abgegeben. (...)

Während der folgenden Jahrzehnte trat in der Landwirtschaft ein grundlegender Wandel ein. Die Mechanisierung nahm ein nie dagewesenes Ausmaß an und ermöglichte die Einsparung von Arbeitskräften. Innerhalb der Europäischen Gemeinschaft kam es zu einer starken Überproduktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse. So wurden Flächenstillegungen vom Staat subventioniert.

Teilansicht des Golfplatzes

Bild: Teilansicht des Golfplatzes (Foto: "Golfclub Schönbuch e.V.")

In der Hofkammer kamen Überlegungen auf, die verbliebenen Domänen teilweise extensiv zu nutzen oder umzuwidmen. Für das Industriegebiet Mittlerer Neckar erschien es besonders interessant, Golfplätze anzulegen. Im Herbst 1987 bildete sich eine Interessengemeinschaft "Golfplatz Schönbuch" als Verhandlungspartner der Hofkammer. In einer Bürgerversammlung in Holzgerlingen im September 1988 prallten das Für und Wider hart aufeinander. Schließlich stimmte der Gemeinderat Holzgerlingen mit knapper Mehrheit dem Vorhaben zu, während sich die Gremien in Weil und Altdorf ablehnend äußerten. In einer umfangreichen Neuplanung mußte die Golffläche auf 55 Hektar, die Clubanlage auf neun Loch reduziert werden. Am 8. Juni 1991 wurde der erste öffentliche Golfplatz in Baden-Württemberg eröffnet.
Der Text wurde gekürzt.

Mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Der Autor Eberhard Fritz ist Archivleiter der Hofkammer des Hauses Württemberg. Der vollständige Text ist im Heimatbuch „Holzgerlingen – Von der Schönbuchsiedlung zur Stadt“ (Wegrahistorik-Verlag Stuttgart, 1995) enthalten. .

Liste der Eigentümer des Schaichhofs:
  • Dr. Johannes Brenz, erwähnt 1572;
  • Dr. Felix Linsenmann, erwähnt 1652;
  • Ulrich Wurster, erwähnt 1706;
  • Büchelin und Erben, bis 1725;
  • Johann Heinrich Eisenbach, seit 1725;
  • Witwe Klotz, bis 1818;
  • Dr. Leopold Klotz, 1818 bis 1824;
  • Hofdomänenkammer seit 1824
Der westlich der Bundesstraße 464 gelegene Teil der Domäne Schaichhof ist durch den Golfclub Schönbuch e.V. gepachtet. Der Teil östlich der Straße ist an Landwirte und an einen Schäfer verpachtet.

Im Kreis Böblingen finden wir in Bondorf mit der Domäne Niederreutin, die aktuell an den „Golfclub Domäne Niederreutin“ verpachtet ist, eine weitere Domäne.

Die Hofkammer des Hauses Württemberg ist die Vermögensverwaltung des Herzogs von Württemberg und verwaltet u.a. die Hofgüter wie den Schaichhof.

Alter Grenzstein Kartenausschnitt Grenzsituation Schaichhof Alter Grenzstein (Bild links - für eine Ansicht des Steines im Gelände klicken Sie bitte in das Bild) am Südrand des Schaichhofs. Der Stein zeigt mit seiner Hirschstange, dass die Grenze des "herrschaftlich württembergischen" Schönbuchs bis ins 19. Jahrhundert direkt am Südrand des Schaichhofs verlaufen ist.

Heute gehören diese Waldgebiete den Gemeinden Holzgerlingen, Altdorf und Weil im Schönbuch, weil im 19. Jahrhundert ihre alten Nutzungsrechte, die sie im Schönbuch hatten (sog. „Schönbuchgerechtigkeiten“) gegen Waldstücke für diese Ortschaften abgelöst wurden. Weil Altdorf danach noch herrschaftliche Waldwiesen zugesprochen bekommen hatte, entstand eine bis heute komplizierte Grenzsituation, die auf dem Kartenausschnitt (Bild rechts - zum Vergrößern klicken Sie bitte in das Bild) gut zu erkennen ist. Beachten Sie zu diesem Thema bitte auch die Seite Grenzsteine „Meierschaft“ Altdorf

(Foto: Klaus Philippscheck; Karte: ergänzter Ausschnitt aus der Beilage zum Heimatbuch der Gemeinde Altdorf)


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