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Eltingen>>Eduard Mörike
„In angenehmen Verhältnissen“

Mörike in Eltingen

Autorin: Susanne Schmidt
Es dürfte kaum einen anderen deutschen Dichter gegeben haben, konstatiert Claus Kugelmann in seinem Büchlein „Mörike in Eltingen“, der sein Leben an so vielen verschiedenen Orten verbrachte wie Eduard Mörike (1804–75). Diesem Tatbestand ist zu verdanken, dass sein Name auch mit unserer Region verbunden ist.

Bild: Eduard Mörike- Lithografie von Bonaventura Weiß aus dem Jahre 1851. (Bild: Deutsches Literaturarchiv/Schiller-Nationalmuseum Marbach am Neckar)

Biographie und Werk des viel gepriesenen (aber nur noch wenig gelesenen) Hauptvertreters des schwäbischen Biedermeier sind im Rahmen des 2004 gefeierten Mörike-Jubiläums durch eine Vielzahl von Publikationen neu gewürdigt worden. Werfen wir also einen Blick auf die knapp sechs Monate, die Mörike vom Juli 1831 bis Januar 1832 als Pfarrverweser in Eltingen verbrachte.

1826 hatte Mörike in Tübingen sein theologisches Examen abgelegt. Die folgenden acht Jahre verbrachte der Dichter als Vikar an insgesamt neun verschiedenen Orten: Oberboihingen, Möhringen, Köngen, Pflummern, Plattenhardt, Owen, Eltingen, Ochsenwang und Öthlingen. Erst 1834 erhielt er seine erste, lang ersehnte Pfarrstelle in Cleversulzbach.

Von seiner Versetzung nach Eltingen erfuhr Mörike kurzfristig im Juli 1831. Der 27-Jährige befand sich damals gerade mit seiner Verlobten, der Pfarrerstochter Louise Rau, auf einer Besuchsreise zur Verwandtschaft, die ihn u.a. nach Böblingen führte, wo sein Bruder Adolf eine Schreinerlehre absolvierte. Einen weiteren Abstecher machte das Paar nach Dagersheim, wo Mörikes einst schwärmerisch verehrte Kusine Klara („Clärchen“) Schmid (geb. Neuffer) mit dem dortigen Pfarrer verheiratet war.

Bild: Das 1773/74 erbaute Eltinger Pfarrhaus mit beiden Zehnscheuern. – Klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

Als Pfarrvikar in Eltingen
Begleitet von Louise Rau begab sich Mörike Ende Juli 1831 nach Eltingen. Hier war einige Tage zuvor Pfarrer Rudolf Christian Wolf gestorben. Mörike fand Unterkunft in den oberen Räumen des großzügigen Eltinger Pfarrhauses, in dem noch die Witwe des Pfarrers und deren Stieftocher Friederike („Rikele“) wohnten. Louise Rau war nach einigen Tage wieder zu ihrer Familie nach Grötzingen heimgekehrt. Zurück blieb lediglich ihr gelbes Halstuch, das den „Liebe-Heimwehkranken“ Mörike stets an die ferne Braut erinnerte.

Auskunft über Mörikes Zeit in Eltingen geben insgesamt 11 überlieferte Briefe.
Eltingen war damals ein eigenständiges Dorf und zählte etwa 1600 Einwohner. Zunächst scheint sich Mörike dort recht wohl gefühlt zu haben. Im September schrieb er jedenfalls an seinen Freund Wilhelm Hartlaub, er wohne „seit 7 Wochen hier in Eltingen als Pfarrvikar, nur 3 kleine Stunden von Stuttgart u. sonst in angenehmen Verhältnissen.“

An Gesellschaft mangelte es ihm nicht. Etwa dreimal die Woche traf sich Mörike mit seinem Jugendfreund Wolfgang Mögling in Leonberg. Gelegentlich verabredete er sich auch mit dem Oberamtsarzt Johann Gottfried Friedrich Lechler in einem der Leonberger Wirtshäuser. Das Abendessen nahm er in der Regel in Gesellschaft seines „Kostherren“, des hiesigen Försters Gustav Heinrich Hahn, ein, der ihn mit seinen Jagdgeschichten „ganz behaglich“ unterhielt. Dazwischen machte er sich immer wieder – zu Fuß – auf den Weg nach Stuttgart, um Besorgungen zu machen oder Bekannte zu treffen.

Sein Befinden änderte sich, als im Oktober 1831 die beiden Frauen aus dem Pfarrhaus auszogen. Mutterseelenallein in dem großen Gebäude litt Mörike von nun an sehr unter der Einsamkeit, die sich nachts zu geradezu hysterischen Angstzuständen auswachsen konnte. Auch sein ohnehin labiler Gesundheitszustand verschlechterte sich zunehmend. In einem auf den 26. Dezember datierten Brief an seinen Freund Wilhelm Zimmermann klagte Mörike schließlich: „Ich lebe leider noch immer wie ein Verbannter in Sibirien und werde solange an Leib und Seele krank bleiben“.

Bild: Ansicht von Eltingen, Leonberg und dem Engelberg um 1830. Im Vordergrund sind vermutlich die Linden abgebildet, die auch im Mörike-Gedicht „Hochzeitslied“ genannt werden. (Gemälde in Leonberger Privatbesitz; Bild: Stadtarchiv Leonberg) – Klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

Mörikes Tage in Eltingen waren damals bereits gezählt. Im Dezember berichtete er Louise Rau ausführlich über den Besuch des zukünftigen Pfarrers Johann Daniel Mulot (Mulot war bis dahin Pfarrer der waldensischen Gemeinde Nordhausen), dessen französische Abstammung und die Zweisprachigkeit seiner sieben Kinder Mörike sogleich beeindruckt haben. Am 9. Januar 1832 endeten seine Amtsgeschäfte in Eltingen. Seine nächste Station führte Mörike als Pfarrverweser nach Ochsenwang. Eltingen hat er vermutlich nie mehr betreten.

„Thiere mancherlei Art“
Die meisten Briefe aus Mörikes Eltinger Zeit werfen ein eher heiteres Licht auf Mörikes Alltagsleben. Besonders humorvoll sind seine Schilderungen der tierischen Hausgenossen, die ihn damals umgaben. Neben einem Hund, einem Spitz namens Joli, waren dies eine frei im Zimmer herumlaufende Lerche und ein Star, den Mörike nach einem Violinenvirtuosen auf den Namen „Tartini“ taufte. Seinem Freund Friedrich Theodor Vischer, schrieb er am 26. November begeistert: „Ich halte mir einen Staaren. Ich bitte Dich, das wäre was für Dich! Da gibt’s Bemerkungen über den thierischen Humor! ... Du hast tausend Freude von dem Spitzbuben“. Auch die Störche, die damals noch auf dem Dach der Michaelskirche nisteten, erwähnte er mehrfach in seinen Briefen.

Bild: Der Star Tartini. Zeichnung Mörikes, 1831. (Bild: Deutsches Literaturarchiv/Schiller-Nationalmuseum Marbach am Neckar)

Die Eltinger scheinen mit Mörike als Pfarrer recht zufrieden gewesen zu sein. Seine Predigten wurden von den Leuten gelobt. Lediglich im Kirchengemeinderat wurde kritisiert, dass er meist ablas. Als Ersatz für Pfarrer Abel predigte er gegen Ende sogar einmal in der Leonberger Stadtkirche, „freilich memoriter (auswendig) so viel wie möglich“, wie er an Louise Rau am 10/11. Dezember berichtete.

Literarisch gilt die Eltinger Zeit als nicht besonders ergiebig. Aber immerhin verbinden sich damit die Fertigstellung des Romans „Maler Nolten“ (im Sommer 1832 erschienen) und zwei Gedichte, „Agnes“ und „Hochzeitslied“1*. In der Eingangszeile des „Hochzeitliedes“ werden zwei Linden erwähnt. Es spricht einiges dafür, dass diese Zeile auf den südlichen Ortsausgang von Eltingen anspielt. Hier erinnerten seit 1813 einige „Gedächtnis-Linden“ an die Völkerschlacht bei Leipzig. Linden stehen hier übrigens heute noch. Doch wer der zauberhaften Atmosphäre des Gedichts nachspüren will, der sollte dort lieber nicht suchen. Statt einsamer Felder findet sich hier nur noch eine unwirtliche Asphaltwüste, ein Industriegebiet und die Autobahn.

1

Das „Hochzeitslied“ ist Charlotte Neuffer und Karl Schmidt gewidmet, die im August 1831 in Bernhausen heirateten. Der Vater der Braut, Christoph Friedrich Neuffer, war ein Onkel Mörikes und in Bernhausen Pfarrer.

    Literaturangaben:
  • Christan Kugelmann: „Nicht weit vom Dorf zwei Linden stehn“ – Eduard Mörike in Eltingen, Verlag Ulrich Keicher, Warmbronn 2004.
  • Irene Ferchl/Wilfried Setzler: Mit Mörike von Ort zu Ort. Lebensstationen des Dichters in Baden-Württemberg, Silberburg Verlag Titus Häussermann GmbH, Tübingen 2004, S. 136-147.
Zu Eduard Mörike finden Sie in zeitreise-bb noch den Artikel von Erich Kläger „Unerwarteter Besuch in Dagersheim“.

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