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Höfingen>>Oberamtsbeschreibung
„Reben liefern einen rothen, angenehmen Wein“

Höfingen in der Beschreibung des Leonberger Oberamts von 1852

Quelle: Beschreibung des Oberamts Leonberg. Herausgegeben von dem königlichen statistisch-topographischen Bureau, Stuttgart 1852

Bild: Postkarte von Höfingen um 1930. (Foto: Höfinger Heimatbuch, Höfingen 1986, S. 244)

Höfingen,
Gemeinde III. Kl. mit 1002 Einw. a Höfingen, Pfarrd., 990 Einwo., wor. 1 Kath. b Scheffelmühle 4 Einw. c Tilghäuslensmühle 2 Einw. d Säg- und Walkmühle 6 Einw. - Ev. Pfarrei.

Der ziemlich regelmäßig gebaute Ort, dessen zum Theil ansehnliche Häuser früher ein tiefer - an vielen Stellen noch sichtbarer Graben umfing, hat eine gesunde, freie Lage oben an dem steilen Rande des Glems-Thales, ½ Stunde nördlich von Leonberg, und gewährt mit seinem hohen, weithin sichtbaren Kirchthurme und seinem am südlichen Ende des Dorfs gelegenen Schloß eine recht freundliche Ansicht. Die Ortsstraßen sind reinlich, steinbeschlagen und mit Kandeln versehen. Im Ort befinden sich 2 laufende, 3 Zug- und 1 Pumpbrunnen, deren Wasser jedoch in heißen Sommern und in kalten Wintern versiegt, so daß die Einwohner an einen im Thal an der Straße nach Leonberg gelegenen 2röhrigen Brunnen verwiesen sind. ...

Die beinahe mitten im Ort, etwas erhöht gelegene Pfarrkirche, welche den Heiligen Laurentius und Mauritius geweiht ist, hat ein durch Veränderung entstelltes Landhaus, während der ein halbes Achteck bildende Chor mit Strebepfeilern und spitzbogigen, gothisch gefüllten Fenstern noch seine ursprüngliche früh germanische Bauweise zeigt. Im Innern ist die Kirche hell, hat aber außer einem im Uebergang von dem romanischen zu dem germanischen Styl gehaltenen Taufstein nichts Bemerkenswerthes. ... Der viereckige, mit Schießscharten versehene Thurm, ..., trägt ein sehr schönes hohes Zeltdach. ...

Das bequem eingerichtete, geräumige Pfarrhaus, ..., liegt an dem nördlichen Ende des Dorfes. Das zunächst der Kirche gelegene Schulhaus wurde 1837 erweitert und befindet sich nun in gutem baulichen Zustande; an der Schule unterrichten 1 Lehrer und 1 Lehrgehilfe. Mitten im Dorf steht das im Styl des 17. Jahrhunderts gehaltene Rathaus, und neben demselben eine schönwüchsige Linde, welche zur malerischen Ansicht des alten, jedoch gut erhaltenen Gebäudes viel beiträgt. ...

Am südlichen Ende des Dorfs, auf dem äußersten Rand des Thalabhanges hinausgebaut, liegen die Gebäude der im Jahr 1826 von dem Staat durch Kauf und Tausch an den Freiherrn v. Varnbüler übergegangenen Meierei, ein altes Bauwesen, an dessen steinernem Unterbau sogar noch einzelne Buckelsteine, als sprechende Zeugen seines hohen Alters, sichtbar sind. ...

Die Einwohner, deren Vermögensumstände zu den mittelmäßigen gehören, sind sehr fleißig, geordnet und haben viel Sinn für Religion; ihre Haupterwerbsquellen bestehen in Feldbau, Viehzucht und etwas Weinbau. ...

Der Betrieb der Landwirtschaft ist sehr gut; verbesserte Ackergeräthe und zweckmäßig angelegte Düngerstätten finden immer mehr Eingang. ...

Die Luft ist wegen der hohen, freien Lage sehr rein und gesund; ...

Der Weinbau, welcher in neuerer Zeit wieder mehr in Aufnahme kommt, beschäftigt sich hauptsächlich mit Affenthaler und etwas Klevner, Silvaner, Veltliner, Trollinger u. s. w. Die an einem steilen, südlichen Glemsthal-Abhang auf etwa 50 Morgen gepflanzten Reben liefern einen rothen, angenehmen Wein, der sich jedoch nicht auf das Lager eignet. ...

Von den Gewerbetreibenden sind nur die gewöhnlichsten Handwerker vorhanden, Schildwirthschaften bestehen 4, auch ist ein Krämer im Ort ansäßig. ...

Die Grundherrlichkeit über den Ort steht längst dem Staat zu. ...

Die zweckmäßige, rationelle Bewirthschaftung der dem Freiherrn v. Varnbüler zugehörigen, 172 M.1* betragenden Meiereigüter, ..., wirkt durch ihr Beispiel ermunternd auf den landwirthschaftlichen Betrieb sowohl der Ortsmarkung als der Umgegend. ...

Höfingen erscheint als Hephinger marca in pago Alemannorum im Jahr 775 bereits mit einer der h. Maria geweihten Kirche, welche damals mit hiesigen Gütern an das Kloster Lorsch geschenkt wurde (Cod. Laur. nr. 3274). ...

Von Höfingen schrieb sich ein oft genanntes Adelsgeschlecht, welches in den bekannteren Zeiten den Ort von Württemberg zu Lehen trug, in einer früheren Periode aber solchen von den Grafen von Calw getragen haben mochte. Im Jahr 1285 erscheint diese Familie zum ersten Male mit der württembergischen Truchseßenwürde2* bekleidet. Ihre Burg soll von dem Grafen Eberhardt dem Greiner3* von Württemberg im Spätjahr 1395, gleich nach der Niederlage, welche er den Schleglern4* bei Heimsheim beigebracht hatte, zerstört worden seyn, da auch sie den Schleglern zur Veste gedient hatte.

Die Herren von Höfingen treten um 1140 in die Geschichte ein. ... Begütert war diese Familie namentlich auch in Merklingen. ... Außer in Höfingen selbst hatte diese Familie in verschiedenen Zeiten noch Besitzungen in Ehningen (O.A. Böblingen), Gächingen (O.A. Calw), Hemmingen, Hirschlanden, Illingen, Kaisersbach (O.D. Welzheim), Pfäffingen; ...

Noch im Jahr 1625 kommen vor: Eitelhans, Heinrich und Bernhard von Höfingen. Bald darauf erlosch das Geschlecht. Seine hiesigen Besitzungen waren aber meist schon im 14. und 15. Jahrhundert an Württemberg ... übergegangen. ... Hiesiger Besitz, unter württembergischer Lehensherrlichkeit, ist den Truchseßen noch bis zuletzt geblieben; ...

1

1 württ. Morgen = 31,52 Ar

2

Der Truchseß hatte die Aufsicht über die Tafel des Grafen (Küchenmeister), später wird der Amts- zum Namenstitel.

3

Hier irrte sich der Verfasser: Es handelt sich um Graf Eberhard III. („der Milde“).

4

Die „Schlegler“ waren eine Ende des 14. Jhs. in Schwaben und am Rhein aktive Rittervereinigung, die sich gegen die Macht der württ. Landesherren aufzulehnen versuchte. Benannt wurden sie nach ihrem gemeinsamen Abzeichen – einer Keule (Schlegel).



Der Text wurde gekürzt.

Eine ungekürzte Version der Beschreibung von Höfingen finden sie auf dem Internet-Portal Wikisource.

Mit freundlicher Genehmigung des Bissinger-Verlags Magstadt

Die Württembergischen Oberamtsbeschreibungen
Im Jahre 1820 wurde auf Dekret König Wilhelms I das “königliche statistisch-topographische Bureau“ in Stuttgart gegründet. Zwischen 1824 und 1886 entstanden dort Beschreibungen aller 64 württembergischen Verwaltungsbezirke und ihrer Gemeinden. Als 30. Band erschien 1852 die Beschreibung des Oberamts Leonberg. Auf dem Internet-Portal Wikisource kann diese bereits vollständig abgerufen werden.

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