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Höfingen>>Friedrich Gottlob Karl von Varnbüler

Erster Halt in Höfingen

Höfingen in der Ära Varnbüler (1826-1936)

Quelle: zeitreise bb

Autorin: Susanne Schmidt

Bild: Friedrich Gottlob Karl Freiherr von Varnbüler von und zu Hemmingen (1809 – 1889), Höfinger Ehrenbürger, Leitender Minister in Württemberg und Reichtagsmitglied. (Bild: Höfinger Heimatbuch, hrsg. vom Höfinger Heimatverein e. V., Höfingen 1986, S. 159) - klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

Als die Gemeinde Höfingen im Jahre 1885 den Besitzer des Höfinger Schlossguts, Friedrich Gottlob Karl von Varnbüler, zum Ehrenbürger der Gemeinde ernannte, hatte man allen Grund, dem Freiherrn von und zu Hemmingen dankbar zu sein. Vor allem seinem engagierten Einsatz war es zu verdanken, dass die 1869 vollendete Bahnlinie von Stuttgart nach Calw über Leonberg durchs Glemstal – und damit auch über Höfinger Gemarkung geführt wurde.

1869 waren gerade einmal 20 Jahre vergangen, seitdem in Württemberg 1845 die erste Bahnlinie zwischen Cannstatt und Untertürkheim in Betrieb genommen werden konnte. Zwischenzeitlich hatte sich die Eisenbahn zum wichtigsten Träger des industriellen Fortschritts entwickelt. Kein Wunder also, dass um die Streckenführung hart gekämpft wurde. Das Abstimmungsergebnis in der württembergischen Abgeordnetenkammer am 23. Juni 1865 war denkbar knapp: Mit 44 gegen 42 Stimmen fiel die Entscheidung zugunsten der Trasse über Leonberg und nicht, wie ursprünglich geplant, über Böblingen und Herrenberg.

Der Eisenbahnbau führte in Höfingen, wie auch in Eltingen, zu einer merklichen Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse. Es sollte allerdings noch ein paar Jahre dauern, bis ein Bürgerverein auch für Höfingen einen eigenen Haltepunkt durchsetzten konnte. Am 16. Januar 1889 war es dann soweit: unter dem Jubel der Bevölkerung machte der Personenzug aus Stuttgart seinen ersten Halt in Höfingen.

Bild: Der Bahnhof in Höfingen war ein einfaches Holzgebäude. 1975 wurde es abgerissen. (Bild: Rolf Maier. Aus: Höfinger Heimatbuch, 1986, S. 183)

Die Familie Varnbüler
Als Friedrich Gottlob Karl von Varnbüler (1809 – 1889) in der Debatte um die Schwarzwaldbahn sein Wort für Leonberg in die Waagschale warf, befand sich der Höfinger und Hemminger Schlossherr als Leitender Minister des Königreiches Württemberg (1864-1870) auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Seine Laufbahn in württembergischen Staatsdiensten endete indessen fünf Jahre später. Differenzen mit König Karl wegen seiner Politik gegenüber Preußen führten 1870 zu seiner Entlassung. Von 1873 bis 1881 war Varnbüler Abgeordneter im Berliner Reichstag.

Die Familie Varnbüler stammte ursprünglich aus der Schweiz.1* Als Gesandter in württembergischen Diensten war Johann Konrad Varnbüler (1595-1657) am Ende des 30jährigen Krieges entscheidend an den Verhandlungen zum Westfälischen Frieden beteiligt. Seinem diplomatischen Geschick war es zu verdanken, dass das Herzogtum Württemberg in seinen alten Grenzen wiederhergestellt werden konnte. Zum Dank erhielt er von Herzog Eberhard III. das Rittergut Hemmingen als Erblehen. Fortan führte die Familie den Titel „Freiherrn von und zu Hemmingen“.

Bild: Alte Ansicht des Höfinger Schlosses aus den 1920er Jahren. Die große Scheune, die Karren und das im Hof laufende Federvieh weisen darauf hin, dass das Schloss damals Zentrum eines großen Gutsbetriebes war. (Foto: Heimatmuseum Höfingen)

Im Jahre 1826 kaufte die Familie Varnbüler das Höfinger Schlossgut. Der alte Ortsadel, die Truchsessen von Höfingen, war bereits 1711 ausgestorben.

Karl Eberhard Friedrich Varnbüler (1776 – 1832) hegte zeitlebens eine besondere Leidenschaft für die Landwirtschaft. 1818 gehörte er zu den Mitbegründern der Landwirtschaftlichen Hochschule Hohenheim. Von 1827 - 1832 war er württembergischer Finanzminister. Auch das Höfinger Schlossgut entwickelte sich in der Obhut der Familie Varnbüler zu einem landwirtschaftlichen Musterbetrieb. Zeitweise fanden dort bis zu 40 Personen Beschäftigung.

Eine beachtliche Laufbahn durchlief auch Axel Varnbüler (1851-1937), der in die politischen Fußstapfen seines Vaters, Karl von Varnbüler, getreten war. Vom Landrat brachte er es bis zum Gesandten in St. Petersburg und zum württembergischen Bevollmächtigten beim Bundesrat in Berlin. Nebenbei war er ein passionierter Maler. Im Treppenhaus des Hemminger Schlosses, das in den Jahren 1852-1856 durch den Stuttgarter Architekten Leins umgebaut worden war, kann man noch heute seine Wandgemälde begutachten.

Musische Neigungen zeigte übrigens auch noch ein anderer Nachkomme des Staatsministers. Seine Affäre mit der bayrischen Schauspielerin Marie Meyer war nicht ganz folgenlos geblieben. Ihr 1868 in Wien geborener gemeinsamer Sohn fiel zunächst durch seinen exzentrischen Lebensstil auf, machte sich dann aber als Literat unter dem Namen Gustav Meyrink einen Namen. Sein Roman „Der Golem“(1915) zählt heute zu den Klassikern der fantastischen Literatur.

In Höfingen endete die Ära Varnbühler im Jahre 1936.2* Bei einem Tauschgeschäft gingen Schloss und Gut in den Besitz von Hubertus Graf Leutrum zu Ertingen über.

1

Die Varnbüler waren seit dem 14. Jh. auf Schloss Weinstein im Rheintal ansässig. 1476 führte ein Varnbüler die Truppen von St. Gallen zum Sieg gegen den Herzog von Burgund.

2

Das letzte im Höfinger Schloss lebende Mitglied dieser Familie war Konrad von Varnbüler, ein weiterer, legitimer Sohn des Staatsministers und dessen Frau Bertha geb. Freiin von Gemmingen-Hornberg.

Literaturhinweis:
Höfinger Heimatbuch
hrsg. vom Höfinger Heimatverein e. V., Höfingen 1986

Leonberg – Eine altwürttembergische Stadt und ihre Gemeinden im Wandel der Geschichte
WEGRAhistorik-Verlag Eberhard Hartenstein und Partner Stuttgart, 1992

Einen kurzen Überblick über die Eisenbahngeschichte im heutigen Landkreis Böblingen mit Links zu weiteren Eisenbahnthemen auf www.zeitreise-bb finden sie hier.

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