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Zeugnisse dörflicher Selbstverwaltung

Die Magstadter Rathäuser


Quelle: zeitreise bb

Autorin: Susanne Schmidt

Bild links: „Neues Rathaus“ am Oberen Markt in Magstadt. (Foto: Benjamin Ascencao)

Bild unten: Das alte Magstadter Rathaus. Heute ist hier das Heimatmuseum untergebracht. (Foto: Benjamin Ascencao)

Gleich zwei Rathäuser stehen heute am „Oberen Markt“ in Magstadt: Das 1842 im klassizistischen Stil umgebaute „Neue Rathaus“ und der schmucke Fachwerkbau des „Alten Rathauses“. Im Rahmen der in den 1980er Jahren erfolgten Ortskernsanierung wurden beide Gebäude aufwändig saniert. Zusammen mit dem alten Dorfbrunnen bilden sie heute ein reizvolles Architekturensemble und sind sprechende Zeugnisse einer bis ins Spätmittelalter zurückreichenden Kontinuität dörflicher Selbstverwaltung.

Zu den ältesten Gebäuden in Magstadt gehört das um 1500 erbaute Alte Rathaus. Schon im 15. Jahrhundert war das „Rauthus“, wie es in alten Quellen genannt wird, Sitz der dörflichen Selbstverwaltung.

Wichtigster Mann im Ort war der sog. „Schultheiß“. Mit Cuntz Peler wurde im Jahre 1455 erstmals ein Magstadter Ortsvorsteher namentlich überliefert. Wer im 15. oder 16. Jahrhundert Schultheiß werden wollte, musste aus einer der reichen und angesehenen Familien, dem sog. Dorfpatriziat, stammen. Der 1491 amtierende Hans Widmann beispielsweise gehörte zu einer weit verzweigten Sippe, aus der auch der berühmte Tübinger Medizinprofessor Johannes Widmann (1444 - 1525) stammte. Als beratendes Gremium stand dem Schultheiß das aus 12 ehrbaren Personen zusammengesetzte „Gericht“ zur Seite. Gemeinsam überwachten sie die Einhaltung der strengen Regeln und Pflichten, an die sich die überwiegend bäuerliche Bevölkerung damals zu halten hatte.1* Auch leichtere Vergehen, wie solche gegen die „Sittenzucht“, wurden von der Gemeindeverwaltung abgeurteilt. Insbesondere Strafen wegen „Rauferei, Trunkenheit und Fluchens“2* waren an der Tagesordnung.

Vom Rathaus zum Schulhaus
Bis zum 30-jährigen Krieg (1618 – 48) war Magstadt ein relativ wohlhabendes Dorf. Von 1525 bis 1634 stieg die Einwohnerzahl von etwa 530 auf 889 Menschen. Dies schlug sich auch in der Bautätigkeit nieder. Wie aus einem Gerichtsprotokoll aus dem Jahre 1610 hervorgeht, „zertrennte“ man damals die alten Hofstätten. Größere Grundstücke wurden geteilt, um „uff selbige neue heußlin stetzen“ zu können.3* Im Jahre 1607 leistete sich die Gemeinde auch ein neues Rathaus. Auf dem links neben dem Eingang eingelassenen Gedenkstein wurden sogar die Namen der Baumeister, Martin Kling und Hanß Maier, verewigt. Bis heute erfüllt das Gebäude seinen Zweck.

Bild: Das Alte Rathaus im Jahre 1965. Das Gebäude war vollständig verputzt und im Erdgeschoß befand sich das Ladengeschäft des Kaufmanns Gottlob Schmidt. (Aus: F. Heimberger, 800 Jahre Magstadt, Stuttgart 1997, S.74)

Das Alte Rathaus wurde daraufhin zum Schulhaus umfunktioniert. Bis 1822 wurde dort Schule gehalten. Nach dem starken Bevölkerungsanstieg im frühen 19. Jahrhundert - Magstadt hatte mit über 50 Geburten auf 1000 Einwohner die höchste Geburtenrate im ganzen Oberamt - war es endgültig zu klein geworden. Das nun zum „Alten Schulhaus“ gewordene Alte Rathaus verkaufte die Gemeinde an einen privaten Eigentümer. Als sie es wieder zurückkaufte war der Fachwerkbau annähernd 500 Jahre alt. Man entschied sich 1989, das marode Gebäude abzutragen und originalgetreu wieder aufbauen. Es beherbergt heute unter anderem das Magstadter Heimatmuseum.

...ein sehr stattliches Gebäude
Im Vergleich zu anderen Orten seiner Größe erfreute sich Magstadt zu Beginn des 19. Jahrhunderts so mancher Vorteile. Im Jahre 1787 war die Staatsstraße nach Stuttgart fertig geworden und zwischen 1807 und 1813 bekam der Ort sogar kurzzeitig ein eigenes Postamt. 1817 erfolgte die Wiedererhebung Magstadts zum Marktflecken. Außerordentlich lobend erwähnt die Beschreibung des Oberamts Böblingen im Jahre 1850 das „gute, städtische Aussehen“ des Ortes. Im Jahre 1842 war das mittlerweile in die Jahre gekommene „Neue Rathaus“ aus dem Jahre 1607 „namhaft verändert“ worden. „Es hat ein Thürmchen mit Glocke, eine gute Sonnenuhr, einen Blitzableiter und ist überhaupt ein sehr stattliches Gebäude“.4* Eine rechts neben der Eingangstür eingelassene Gedenktafel erinnert noch heute an den in der Regierungszeit König Wilhelms I. (1816-1864) erfolgten Um- und Ausbau.

1

Die Aufgaben der Gemeindeverwaltung in der damaligen Zeit beschreibt der Historiker Fritz Heimberger in der Magstadter Ortschronik: „Schultheiß und Richter setzten nicht nur Anfang und Ende der Aussaat und Ernte fest, sie achteten auch darauf, dass während dieser Zeiten die Taubenschläge geschlossen und das Geflügel eingesperrt blieb. ... Jeder Einwohner musste sich beim Weg auf seine Wiesen und Äcker an genau festgelegte Zugangs- und Überfahrtsrechte halten. Diese „Trieb und Trattrechte“ sollten verhindern, dass die Wirtschaftsflächen mehr als nötig beschädigt wurden.“ Auch die Weiderechte für das Vieh wurden festgelegt, die Verteilung des auf der Markung geernteten Wildobstes und – soweit ihre Befugnisse das zuließen - die Nutzung der Gemeindewälder. (F. Heimberger: Achthundert Jahre Magstadt, Stuttgart 1997, S. 75f.)

2

F. Heimberger: Achthundert Jahre Magstadt, Stuttgart 1997, S. 76

3

F. Heimberger: Achthundert Jahre Magstadt, Stuttgart 1997, S. 63

4

Beschreibung des Oberamts Böblingen. Herausgegeben von dem königlichen topographischen Bureau. Stuttgart und Tübingen 1850, S. 184-190

Verwendete Literatur:
Fritz Heimberger: Achthundert Jahre Magstadt. Bearbeitet von Heidrun Hofacker und Fritz Oechslen, WEGRAhistorik-Verlag, Stuttgart 1997.

Gemeinde Magstadt

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