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Geschichte der Sindelfinger Post

Quelle: „Oberamt Böblingen“ (Post- und Bahngeschichte), Veröffentlichungen im Rahmen des Württembergischen Philatelistenvereins Stuttgart

Autor: Gerhard Ganzhorn
Am 3.8.1858 wurde das erste selbständige Postamt Sindelfingen als 4. Postamt im Bereich des Oberamts Böblingen aus der Taufe gehoben. Die drei Postämter Magstadt 1807 bis 1812 (bald nach Auflösung der Poststrasse Stuttgart - Calw war dieses Postamt geschlossen geworden), Böblingen (Eröffnung 1.5.1807) und Holzgerlingen (1.7.1858) waren bereits früher eröffnet worden.

Im Sindelfinger Gasthof "Zum Schwanen" wurde in einem 15 qm großem Raum mit dem Schwanenwirt Christian Friedrich Held als Postexpeditor das erste Postamt eröffnet. Der ehemalige Gasthof „Schwanen“

Bild: Der ehemalige Gasthof „Schwanen“ in der Vaihinger Straße. Von einer alten Postkarte aus dem Sindelfinger Stadtarchiv.

Das postalische Schwergewicht hatte sich aber schon der Oberamtsstadt Böblingen zugeneigt, denn dort passierten die Postwagen von Stuttgart nach Tübingen, Freudenstadt, Petersthal, Calw und Wildbad. Deshalb trug eine einfache Anschlußverbindung von Sindelfingen nach Böblingen den bestehenden Verhältnissen in wirtschaftlicher und rationeller Weise Rechnung.

Zwar hatte die Stadt Sindelfingen in jahrelangem Bemühen um eine direkte Postverbindung zur Landeshauptstadt gerungen. Diesem Antrag wurde jedoch nicht entsprochen, weil - wie es in einer Begründung des Hauptpostamtes in Stuttgart hieß - der Waldweg von Vaihingen nach Sindelfingen nicht so gut unterhalten werde wie die Staatsstraße von Vaihingen nach Böblingen, die gegenwärtig (also 1846) neu angelegt und verflacht werde, so daß anstelle der Steigungen von 8 bis 11 Prozent künftig nur mit solchen bis dreieinhalb Prozent gerechnet werden müsse.

Mit der Eröffnung des Postamtes war Sindelfingen 1858 dann also mit der Nachbarstadt Böblingen und der übrigen Welt durch zwei Carriolposten1* verbunden, die morgens um 8.00 Uhr und mittags um 14.20 Uhr abgingen und um 9.00 bzw. 18.50 Uhr wieder in Sindelfingen eintrafen. In Böblingen hatten sie guten Anschluß an die dortigen Postwagen­fahrten. Gleich nach Rückkunft dieser 2 Carriolposten wurde zweimal werktäglich die Postzustellung in Sindelfingen ausgeführt.

Postcarriol

Bild: Postcarriol (aus: "Altdorfer Bildband", Arbeitskreis Altdorfer Heimatgeschichte 1989)

Bis zur Eröffnung des Postamtes konnten Briefe aus Sindelfingen äußerlich nicht als solche erkannt werden. Denn eine Absenderangabe fehlte damals ebenso wie ein entsprechender postalischer Vermerk auf dem Brief. Dies änderte sich erst mit der Postamtseröffnung (siehe Brief unten in der Bildleiste) und Einsetzung des neuen Zweikreisstempels. Dieser Stempel wurde bis in die Pfennigzeit (Dezember 1880) verwendet.

Im Januar 1864 starb der 1. Postexpeditor Held nach 5-jährigem Postdienst und sein Nachfolger wurde, nachdem die Witwe Held die Postgeschäfte bis November 1864 weitergeführt hatte, der Kaufmann Christian Friedrich Burger. Er verlegte das Postlokal allerdings in sein Haus, das sich in der Nordwestecke des Rathausplatzes vor dem Stahlwarengeschäft Klein befand. Hier standen zwei Räume für den Postbetrieb zur Verfügung.

Der Postverkehr spielte sich in der 4 500 Einwohner zählenden Weberstadt Sindelfingen wohl in ruhigen Bahnen ab. Aber 1867 erlebte das Postamt Sindelfingen mit der Einbeziehung in den Telegraphendienst seine bisher größte Erweiterung.

(Die Gemeinde Maichingen - heute Stadtteil von Sindelfingen -, die direkt an der Strecke des täglichen "Postbotengangs" von Böblingen nach Magstadt lag, zog 1869 diese beiden Poststellen einem Anschluß an die Post in Sindelfingen vor. Maichinger Postbote wurde zunächst der Schuhmacher Salomo Beuttler, bis am 1.Juli 1870 die sogenannte Postablage2* Maichingen-Böblingen eröffnet wurde.)

1874 starb auch der 2. Sindelfinger Postexpeditor im Alter von nur 50 Jahren. Unmittelbare Nachfolgerin als Leiterin des Postamts wurde seine Witwe. Ende 1875 schied Frau Burger aber auf eigenem Wunsch aus dem Postdienst aus. Von diesem Zeitpunkt an wurde die Abwicklung des Post- und Telegraphendienstes in Sindelfingen hauptamtlichen Postbeamten übertragen. Zunächst wurde der Postexpeditor Stützel von Mühringen über Horb nach Sindelfingen versetzt. Er wurde 1879 durch den Postexpeditor Hohloch aus Schelklingen abgelöst, der wiederum dem Postexpeditor Gruner aus Schwenningen 1883 Platz machen mußte.

Mit dem Anstieg des Postaufkommens wurde auch der Status der Dienststelle angehoben. Aus der Postexpeditor-Stelle wurde zunächst eine Postverwalter- und 1884 sogar eine Postmeisterstelle. Der Postbetrieb, besonders der Paketverkehr (siehe Bildleiste unten), war inzwischen so angewachsen, dass größere Räume benötigt wurden. Diese fand man im Hause Schäfer, Untere Vorstadt 2, wohin das Postamt am 1.10.1884 verlegt wurde. Gruner wurde zum Postmeister ernannt und amtierte hier nun mit immerhin 4 Vollkräften. Seine Dienstmägde wurden jeweils zum Austragen der Telegramme verpflichtet.

Das heutige Haus Firnrohr

Bild rechts: Das heutige Haus Firnrohr, Untere Vorstadt 2; ehemaliges Königlich Württembergisches Postamt. (Foto: Klaus Philippscheck)

1894 wurde Sindelfingen in das Fernsprechnetz einbezogen, allerdings gab es zunächst nur 7 Telefonanschlüsse in der Textilstadt, 1897 waren es bereits 16. Bis zum Jahre 1931 war das Sindelfinger Fernmeldenetz selbstständig, wurde dann aber dem Böblinger Ortsnetz unterstellt.

Der weiter ansteigende Post- und Fernmeldedienst bereitete bald schon wieder Raumsorgen. Um diesen ein Ende zu bereiten, kaufte der Postmeister Gruner aus eigener Initiative das Grundstück Bahnhofstr. 5 und begann dort 1897 nach den Plänen der Postverwaltung mit dem Bau eines großen Postamtes.

Das ehemalige Postamt in der Bahnhofstraße

Bild links: Das ehemalige Postamt in der Bahnhofstraße mit dem ersten Sindelfinger Autobus. Klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern. (Bild: Stadtarchiv Sindelfingen)

Dieses vermietete er nach der Fertigstellung an die Königlich Württembergische Post. Endlich gab es genügend große Diensträume und die Sindelfinger Post sollte hier immerhin über 60 Jahre lang beheimatet sein. Nach der zur Ruhesetzung des Postmeisters Gruner wurde das Gebäude von der Postverwaltung gekauft. Es wurde während seines Bestehens mehrfach modernisiert und vergrößert.

Die letzte traditionelle Postkutsche

Bild rechts: Die letzte traditionelle Postkutsche von Sindelfingen zum Bahnhof Böblingen (Bild: Stadtarchiv Sindelfingen)

Im Jahre 1905 wurden die zwischen Sindelfingen und Böblingen fahrenden Pferdeposten durch regelmäßige Motorwagenfahrten abgelöst. Mit der Eröffnung der Bahnlinie Böblingen-Sindelfingen-Renningen im Jahre 1914 wurde die Postsachenbeförderung dann durch die Bahn übernommen.

Genau 100 Jahre nach der Eröffnung der Post in Sindelfingen erkannte die Postverwaltung, dass ein neues Dienstgebäude unumgänglich war und gab den Startschuß für den zweiten Postamtsneubau in Sindelfingen. Dieses Gebäude versieht noch heute seinen Dienst, obwohl seit längerem über eine Modernisierung diskutiert wird.

1

besonders leicht gebaute, ein- oder zweispännig gefahrene Wagen zur Beförderung der Briefpost auf kurzen Strecken

2

Die Besorger der Postablagen waren nicht bei der württembergischen Post angestellt, wurden aber für ihren Aufwand entlohnt; vergleichbar mit den heutigen Postagenturen der „Deutschen Post“ in Schreibwaren- oder Lebensmittelgeschäften.



Ein früher Sindelfinger Brief vom 27. August 1859
Die Rückseite des nebenstehenden Briefes
 Paketkarte der Sindelfinger Jacquard-Weberei Zweigart & Sawitzki

Wir danken dem Autor für das Abdruckrecht

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