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Steinenbronn>>Altes Rathaus

Das alte Rathaus von Steinenbronn

1960 fiel das Fachwerkgebäude der Verkehrsplanung zum Opfer

Quelle: Steinenbronn – Vergangenheit und Gegenwart einer Schönbuchgemeinde, bearbeitet von Friedrich Kühbauch, hrsg. von der Gemeinde Steinenbronn, Steinenbronn 1979, S. 392 - 394

Autor: Friedrich Kühbauch
Dort, wo heute ein Kreisverkehr für reibungslosen Verkehrfluss sorgt, befand sich bis vor nicht ganz 50 Jahren die Ortsmitte von Steinenbronn. Hier, mitten im Dorf, stand das alte Rathaus, ein gemütlicher, kleiner Fachwerkbau in der Art wie man ihn beispielsweise noch in Höfingen oder Maichingen findet. Schräg gegenüber befand sich der alte Wettebrunnen. Die Kirche im Hintergrund vervollständigte schließlich das Dorfidyll, wie es der Graphiker Walter Romberg in einer seiner Radierungen festgehalten hat.

In der 1979 erschienen Ortschronik von Steinenbronn widmete sich Friedrich Kühbauch der Geschichte des 1960 abgebrochenen Gebäudes:


Bild: Alte Ortsmitte von Steinenbronn. Dorfidyll mit Kirche, Rathaus, Wettebrunnen und Haus Hanselmann. Radierung von Walter Romberg. (Bild: Gemeindearchiv Steinenbronn) - für eine aktuelle Ansicht klicken Sie bitte hier

Im Steinenbronner Lagerbuch aus dem Jahre 1524 ist erstmals die Rede von einem „Haus des Dorfes“. Wir dürfen mit Sicherheit annehmen, dass es sich dabei um das Gebäude unseres alten Rathauses in seiner ursprünglichen Form handelt. Die Beschreibung der Ortslage dieses Hauses stimmt überein mit dem Platz, auf dem das alte Rathaus bis zum Abbruch im Jahre 1963 stand. ...

126 Jahre später, zwei Jahre nach Beendigung des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648), wird am 20. Mai 1650 abermals unser Rathaus erwähnt. ... Das Rathaus muss demnach recht bald nach den Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges wieder instand gesetzt worden sein.

Das »Lagerbuch des Fleckens Steinenbronn von 1702« spricht vom Rathaus, welches mitten im Dorf steht und zwischen der gemeinen Gasse (Dorfgasse) und Michael Krauchs Haus liegt. ... Das Gebäude hat zwei Stuben und eine Küche, oben einen Fruchtboden und unten eine Schmiede. Der Ort zählte damals 66 Bürger, also etwa 330 Einwohner.

In der Bürgermeister-Rechnung von 1790/91 wird vermerkt: „Wenn auf dem Rathaus eine Hochzeit gehalten wird, so muss zum Bürgermeisteramt erlegt werden 1 Gulden“. Und dann der Nachtrag: „Die Abhaltung von Hochzeiten auf den Rathäusern sind nach neuerlichen oberamtlichen Generalbefehl abgestellt“.

Bild: Das altes Rathaus kurz vor dem Abriss im Jahre 1963. (Aus: Steinenbronn – Vergangenheit und Gegenwart einer Schönbuchgemeinde, Steinenbronn 1979) - klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

„ein zweistockiges Rathaus mit Dachreiter von gemischter Bauart“
Im Schätzungsprotokoll für die Brandversicherung von 1872 bzw. 1905 wird das Rathausgebäude so umschrieben: „Es ist ein zweistockiges Rathaus mit Dachreiter von gemischter Bauart, 13,3 m lang, 9 m breit. Die Höhe des Erdgeschosses beträgt 2,80 m, des 1. Stockes 2,90 m und des Giebels 6,80 m. Es hat 2 bzw. 4 heizbare Zimmer, 1 Arrestlokal, 1 Spritzenremise, 1 Mosterei mit 2 Pressen (die Mosterei wurde um 1930 aus dem Rathaus herausgenommen), 1 Holzremise, 1 Küche. Das Dach ist mit Hohlziegeln gedeckt“. Das Alter des Rathauses wird 1905 mit etwa 300 Jahren angegeben, sein Versicherungswert mit 6400 Mark. Die Rathausglocke, mit einem Durchmesser von 45 cm und einem Gewicht von 140 kg, ist 1898 mit 300 Mark versichert. Die Glocke wurde im Ersten Weltkrieg eingezogen und eingeschmolzen. Eine neue Glocke bekam das alte Rathaus nicht mehr.

Umbaupläne und Renovierungen
Im Gemeinderatsprotokoll vom 27. 8. 1902 lesen wir folgenden Beschluss des Gemeinderates: „Mit der Entwerfung eines Plans den Rathausumbau betreffend, soll der Oberamtsbaumeister beauftragt werden. Dieser Auftrag ist spätestens bis 1. 7. 1903 zu erteilen. Für die bauliche Renovation ist das Kalenderjahr 1904 in Aussicht genommen“. In der Gemeindepflege-Rechnung von 1904/05 werden die Kosten für Aufführen einer Wand, Bestechen und Weißen der Außenseite, Fertigung einer Treppe, Legen der Böden, Einsetzen neuer Türen, 17 neuer Fenster und 2 Öfen mit ca. 1700 Mark angegeben.

Die Innenausstattung der Rathausräume muss eine sehr bescheidene gewesen sein, denn das Gemeindeprotokoll vom 3. 4. 1914 führt folgende dringend notwendige Arbeiten auf, die allerdings vom Gemeinderat als nicht erforderlich abgelehnt wurden: „Das Mobiliar ist alt und abgenützt. Eine Auffrischung, zum mindestens ein neuer Anstrich des Mobiliars, der Registraturkasten, der Türen und Holzverkleidungen ist angezeigt“. Ein Telefonanschluss, der 1914 noch abgelehnt wurde, konnte mit Genehmigung des Gemeinderats 1917 eingerichtet werden.

Der Erste Weltkrieg und die darauf folgende Inflation zu Beginn der zwanziger Jahre ließen keine weiteren Ausbesserungen an dem alten, ehrwürdigen Gebäude zu. Mit Recht vermerkt daher das Gemeinderatsprotokoll vom 2. 10. 1925: „Seit Jahren und Jahrzehnten ist an den Gemeindegebäuden keine durchgreifende Reparatur vorgenommen worden. Eine solche ist jetzt dringend notwendig. Mit dem Rathaus soll begonnen werden und zwar zunächst mit der Innenreparatur“. Mit 8 gegen 2 Stimmen wurde dieser Beschluss des Gemeinderates angenommen. Im nächsten Jahr fanden dann die Innenreparaturen statt. Die ebenso dringend erforderlichen Außenreparaturen wurden 1926 hinausgeschoben, weil sie 800 - 900 Mark gekostet hätten, die Gemeinde aber zunächst ihre Rückstände bei der Oberamtspflege abtragen musste.

Bild: Das alte und das neue Rathaus von Steinenbronn von oben gesehen. Der Neubau wurde im Oktober 1960 eingeweiht, das alte Fachwerkgebäude im August 1963 abgebrochen. (Bild: Foto Czeska Waldenbuch) - klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

Ein stilvolles und anmutiges Gebäude
Das schöne alte Rathaus, mit seinem gediegenen Fachwerk, war äußerlich ein sehr stilvolles und anmutiges Gebäude. Mitten im Dorf gelegen, wurde es aber nach und nach zum Hindernis für den immer stärker werdenden Verkehr. Seine ihm zunächst zugedachte Rolle als „Insel im Verkehr“ stehengelassen zu werden, erwies sich als nicht durchführbar, zumal auch die Räumlichkeiten für die Aufgaben einer rasch wachsenden Gemeinde bei weitem nicht mehr ausreichten.

Die Absicht, das schmucke Rathaus versetzen zu lassen, um es so zu erhalten, musste ebenso aufgegeben werden. Es war für einen Standortwechsel bereits zu altersschwach geworden, die Querbalken des Fachwerks hatten sich bedenklich durchgebogen. Das allzu flache Fundament aus Sandsteinen, das sich teilweise schon zu zersetzen begann, hätte ein Verrücken nicht ausgehalten. So entschloss sich der Gemeinderat für den Abbruch des alten Rathauses. ...

Ende des Dorfidylls
Der Abbruch erfolgte innerhalb drei Tagen, vom 25. – 27. Juni 1963. ... Mancher Steinenbronner Bürger wird damals nachdenklich dem Abbruch zugesehen haben. Die gemütvolle Dorfidylle, mit dem alten Rathaus, der Kirche und dem Dorfbrunnen, wie sie der 1973 verstorbene Kunstmaler und Graphiker Walter Romberg aus Stuttgart in einer seiner bekannten Radierungen festgehalten hat besteht nicht mehr. Während das alte Rathaus den Bürgern noch seinen letzten Dienst erwies, wuchs bereits einige Häuser weiter entfernt, in der Stuttgarter Straße, der stattliche Bau des neuen Rathauses heran.1* ...

1

Für den Bau des am 8. 10. 1960 eingeweihten neuen Rathauses (Entwurf: Architekten Otto Rödel und Georg Kieferle, Böblingen) musste noch ein weiteres, symbolträchtiges Gebäude in Steinenbronn weichen: das alte evangelische Pfarrhaus.

Der Text wurde gekürzt.

Mit freundlicher Genehmigung der Gemeinde Steinenbronn und Foto Czeska Waldenbuch

Kolorierter Stich mit Wettebrunnen und altem Rathaus von Fr. Rittmann aus dem Jahre 1915

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