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Ein Kosmopolit aus Sindelfingen

Seminararbeiten zu Grieb


Autor: Bernd Heiden

Quelle: Sindelfinger Zeitung/Böblinger Zeitung vom 05.12.2009
GeburtshausEr war Politiker, Autor, Übersetzer, Journalist, spielte eine aktive Rolle während der 1848er Revolution, kannte wichtige Köpfe seiner Zeit wie Charles Fourier. August Bebel zitierte ihn, Karl May nutzte ihn: Christoph Friedrich Grieb aus Sindelfingen. Dank der Initiative Kultur am Stift wurde er nun dem Vergessen entrissen.

Bild rechts: Griebs Geburtshaus. Es steht noch heute in der Sindelfinger Ziegelstraße. (Stadtarchiv Sindelfingen)

Grieb wird zwar 1810 in Sindelfingen in die ärmlichen Verhältnisse eines Webermeisters in der Ziegelstraße 9 geboren. Dennoch wird er zum Weltmann, seine Familie steigt ins Bildungsbürgertum auf. Ein Grund: Es gab ein starkes Bildungsinteresse. „Die jungen Leute sollten in die Welt hinein, dafür arbeiteten die Eltern“, erzählt Horst Weber, der wie Klaus Philippscheck und Elisabeth Schwall von langer Hand diesen Abend vorbereitet hatte. Die Veranstaltung bildet den Auftakt für eine in loser Folge angedachte Reihe „Pantheon vergessener Sindelfinger“.

Anspruchsvolles Panorama
Was so bunt daherkommt, ist ein anspruchsvolles Panorama der Ideen- und Sozialgeschichte des zweiten Drittels des 19. Jahrhunderts, die Griebs Lebensstationen von Sindelfingen über London, Paris, Amerika und Stuttgart nachzeichnet. Dabei ist es eine Zeit der Ungleichzeitigkeiten, wo Unternehmerköpfe im Takt des Kapitalismus ticken und Handwerker noch das Mittelalter beschwören.

Phalanstères

Bild links: Ansicht eines utopischen „Phalanstères“ (aus dem Buch „Charles Fourier“ von August Bebel, Stuttgart 1888, Privatbesitz) – klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern.

Im Paris der 1830er Jahre hört Grieb Charles Fourier, den Frühsozialisten, der gegen die aus England herüberwehende Ideologie der freien Konkurrenz die Idee der Assoziation setzt, zu verwirklichen in „Phalanstères“, Lebens- und Arbeitsgemeinschaften, in deren Siedlungen freundschaftlicher Wettbewerb und freie Liebe herrschen. Als eine Art Fourier-Apostel schifft sich Grieb 1838 nach New York ein, um Phalanstères-Gründungen voranzutreiben. Dort trifft er den Fourieristen Albert Brisbane, auf den die bis heute bestehende, in Fouriers-Geist konzipierte Brook-Farm zurück geht. „Grieb und Brisbane sind Brüder im Geiste“, so Horst Weber. Ein von Grieb unterstütztes Siedlungs-Projekt in Texas scheiterte. Er kehrt zurück, lässt sich in Stuttgart nieder.

„Nach allem was wir wissen, hat er mitgemacht“, erzählt Weber zu Griebs Rolle während der 1848er Revolution. So tritt er als Vorstand des ersten Arbeiterbildungsvereins in Stuttgart auf. Daneben verfasst er ein Forderungspapier, das der Zentralverband der württembergischen Handwerkervereine in Esslingen annimmt, der Grieb dann auf den parallel zur Paulskirche tagenden Handwerker-Kongress schickt.

Unter den Handwerkern kursieren die gegensätzlichsten politischen Ideen. Einigkeit, so Philippscheck, herrscht bloß in der Ablehnung des radikalen Wirtschaftsliberalismus, der „Freien Concurrenz“. „Die Konkurrenz ist die freie, unbeschränkte Ausbeutung der Schwächeren durch die Stärkeren“, schrieb Grieb bereits 1846. Zehn Jahre nach der Amerika-Unternehmung sei Grieb nach wie vor Fourierist, sagt Horst Weber unter Verweis auf Griebs Entwürfe zu genossenschaftlichen Organisationsformen. Grieb habe sich als Sozialist gesehen, Kommunismus habe er dagegen scharf kritisiert, sagt Philippscheck. Letzterer war unverträglich mit Griebs christlichem Bewusstsein und seinem Zentralgedanken der „tätigen Liebe“.

Sklavenleben in Amerika

Bild rechts: Titelseite des Buchs „Sklavenleben in Amerika“, Stuttgart 1855 (Privatbesitz) – klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern.

Vorlage für Karl May
Griebs Landtagskandidatur 1849 in Sindelfingen scheitert ebenso wie die bürgerliche Revolution. Anders als Mitstreiter kommt aber der christlich inspirierte Sozialreformer aber unbehelligt davon. Er arbeitet als Sprachlehrer und Übersetzer vielfältigster Werke. Seine Übertragung von Gabriel Ferrys „Waldläufer“ lieferte wohl für Karl Mays Waldläufer die Vorlage. 1855 erscheint unter anderem ein Roman über Sklavenleben in Amerika, bereits 1848 eine Schrift über Politische Ökonomie. Griebs Englisch-Deutsches Wörterbuch erscheint bis 1907, nun in der 11. Auflage, bei Langenscheidt-Berlin.

Grieb stirbt 1861. Begraben wird er auf dem Stuttgarter Fangelsbachfriedhof.
Anmerkung:
Griebs Buch „Sklavenleben in Amerika“ ist in seiner Originalform von 1855 von Google Books vollständig ins Internet gestellt worden! Wenn Sie dieses Buch anschauen wollen, klicken Sie bitte hier! Mit freundlicher Genehmigung der Sindelfinger Zeitung/Böblinger Zeitung

Der Text wurde gekürzt.

Seminarkurs Christoph Friedrich Grieb am Stiftsgymnasium Sindelfingen

Um das interessante Leben des Grieb zu illustrieren, klicken Sie die fiktiven Briefe an und lesen Sie bitte nach:
  • Brief 1: Erinnerung an Sindelfingen (Brief von Stuttgart nach Amerika, ca. 1855)
  • Brief 2: Brief aus Paris nach Sindelfingen (ca. 1835)
  • Brief 3: Brief aus New York nach Sindelfingen (Februar 1839)
  • Brief 4: Brief aus Stuttgart nach Amerika (ca. 1860)
Einige Dokumente zum Leben des Christoph Friedrich Grieb – zum Vergrößern klicken Sie bitte in das jeweilige Bild!

Unterschriftenseite
Die Zeitschrift „La Phalange“
Pass von 1837 für Grieb
Korrespondentenbericht
Antrag des Studenten Grieb
Wörterbuch


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