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Das Sindelfinger Sandwerk Körner

Quelle: Kreiszeitung Böblingen / Böblinger Bote vom 20. September 2005

Autor: Werner Held
Der Verein der Freunde des Sandwerks Körner hat das Mahlwerk in der stillgelegten Sandmühle nördlich von Sindelfingen wieder in Gang gesetzt. Die Naturschützer hoffen, dass auch das Biotop beim Sandwerk davon profitiert, wenn dort zu Schauzwecken Sand gemahlen wird.

Sandwerk

Bild: Das mittlerweile renovierte Sandwerk – Aufnahme von 2003. (Foto: Günther Niebel)

Getöse hebt an. Aus dem Maschinenhaus des Sandwerks Körner im Waldgebiet Spitzholz quillt Dieselqualm. Der Motor treibt ein Transmissionssystem an, das seine Kraft auf die Prallmühle überträgt, die in ein Loch im Boden eingelassen ist. Andreas Watzi turnt aus dem Maschinenhaus in das Loch und wirft Steine in die Mühle. Die Brocken werden gegen Stahleinlagen geschleudert, bis sie zu Sand zerfallen sind. Jetzt müsste eigentlich das Becherwerk laufen, das in seinen Schaufeln den Sand in den Turm der Aufbereitungsanlage transportiert, wo er in zwei Fraktionen gesiebt wird. Doch der Transmissionsriemen ins Obergeschoss ist zu lang, die Motorkraft verpufft. Frank Hornikel schnappt ein Vierkantholz und versucht, dem Lederriemen mehr Spannung zu verleihen. Der Trick klappt. Für ein paar Sekunden beginnen die Schaufeln gefüllt von unten nach oben und leer in die Gegenrichtung zu wandern. Beifall brandet auf unter den Freunden des Sandwerks Körner, die am Rand der Prallmühlengrube das Schauspiel beobachten.

Elevator

Bild: Der sog. Elevator funktioniert wieder. (Foto: Günther Niebel) – Klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

Andreas Watzi ist zufrieden. "Das mit dem Riemen kriegen wir hin", sagt er. Der 20-jährige Landmaschinenmechaniker hat den Motor der Sandmühle wie auch den Muldenkipper Zettelmayer A 2, Baujahr 1952, mit dem er einige Runden dreht, wieder zum Laufen gebracht. In der Zeitung habe er davon gelesen, dass sich ein Verein des Industriedenkmals, in dem bis 1992 Sand hergestellt worden ist, annehmen will. Da er als Kind auf dem letzten Zeugen dieser Produktionsweise in Deutschland herumgekraxelt und ein Technikfreak ist, hat er den Freunden des Sandwerks seine Hilfe angetragen. "Andreas ist ein Glücksfall für uns", freut sich die Vereinsvorsitzende Christa Habisreitinger. Was Watzi und die Vereinsmitglieder, unterstützt von Firmen aus der Baubranche, aus dem halb verfallenen Industriedenkmal gemacht haben, führten sie am Samstag der Öffentlichkeit vor. Seinen Teil zur Restaurierung beigetragen hat auch der Verein für Jugendhilfe. Eine Gruppe, die der Verein betreut, hat die Schaufeln des Becherwerks instand gesetzt. Für die Technikfans gibt's noch einiges zu tun. So rosten beispielsweise noch zwei Bagger auf dem Gelände vor sich hin und warten auf die Restaurateure.

Die Freunde des Sandwerks Körner haben weitere Verbündete gefunden: das Amt für Stadtplanung und Umwelt der Stadt und den Angelsportverein (ASV) Sindelfingen. Auf den Flächen rund um das Sandwerk, auf denen Sand abgebaut worden ist, haben sich Tiere und Pflanzen angesiedelt, die offene, karge, sandige und warme Standorte brauchen. Auf diesem Rohboden hat die Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung J. Trautner fast 50 Wildbienen- und ebenso viele Laufkäferarten gezählt. Auch Zauneidechsen und seltene Schmetterlingsarten lieben solche Bedingungen.

Stubensandsteinbrocken

Bild: Stubensandsteinbrocken vor dem Sandwerk. (Foto: Klaus Philippscheck)

Doch „sie können nur mit menschlicher Hilfe erhalten bleiben“, erklärt der Diplombiologe Michael Bräunicke. Sobald der Gesteinsabbau eingestellt war, begann der Wald das Gelände zurückzuerobern. Die Naturschützer haben es freigeschnitten. Doch solche Hilfe kostet Geld. Wenn nun die Freunde des Sandwerks, spekuliert Hartmut Koch vom Amt für Stadtplanung und Umwelt, ihr Kleinod hie und da zu Schauzwecken laufen lassen und dafür ein wenig Gestein wegbaggern, könnte wenigstens ein Teil des geschützten Biotops, das von regionaler Bedeutsamkeit ist, ohne große Kosten erhalten werden.

Und noch ein Biotop beherbergt das Sandwerkgelände: Eine große Abbaugrube hat sich im Laufe der Jahrzehnte mit Regenwasser gefüllt. Doch der Teich droht umzukippen. Algenwuchs, der Eintrag des Laubs der Bäume rundherum und ein Fischüberbesatz beeinträchtigen die Wasserqualität. Mit ein paar Brocken Brot lockt Helmut Rieger, Gewässerwart des ASV, Spiegel- und Schuppenkarpfen an. Daneben schwimmen Schwärme von Rotfedern in dem grünlichen-schlierigen Pfuhl. Der hohe Fischbesatz lässt die Amphibien nicht so recht zum Zug kommen, weil die Karpfen Laich und Kaulquappen von Bergmolchen, Gras- und Wasserfröschen wegfressen. Lediglich die Brut der Erdkröten ist so gut gegen Fraßfeinde geschützt, dass sich am Teich eine größere Population hält, erklärt Bräunicke. Rieger will den Teich abfischen, um vor allem die im Schlamm wühlenden Karpfen zu dezimieren. Die Wasserexperten hoffen, dass sich dann Bedingungen einstellen, die den Teich auch zum Lebensraum für seltenere Amphibien machen.

Mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Kreiszeitung / Böblinge Bote

(...) Die Bedeutung der Sandsteine ist sehr zurückgegangen: Diese Werksteine sind zu teuer und nicht mehr witterungsbeständig genug. Das gilt natürlich auch für die Sandsteine des Stubensandsteins. Einstmals für Häuserfundamente, Mühlsteine und als allgemeiner Werkstein genutzt, hat der Stubensandstein seine große Bedeutung verloren. (So formulierte der württembergische Geologe Oskar Fraas um 1860 über den Stubensandstein des Schönbuchs: "Die Leichtigkeit der Bearbeitung und die Wohlfeile des Steins machen ihn zum vorzüglichen Baustein, vielleicht von ganz Europa. ... Bei der Concurrenz deutscher Bausteine um Verwendung am Dom zu Cöln hat er jedenfalls den Sieg davon getragen.")

Auch die Sandgrube Sindelfingens im Stubensandstein - eindrucksvoll im Wald gleich nördlich der Stadt gelegen - ist aufgegeben worden. Sand für den Gipser, für den Häuslesbauer, der feine Sand zum Stubenfegen - das waren die Funktionen dieses Sands. Der Begriff der Rohrauer „Sandbauern“ erinnert noch an die alte Zeit. Interessant waren die Versuche, die im Stubensandstein abgelagerten feinen Gold- und Silberflitter abzubauen. Erwähnt werden soll noch, dass diese 65 Meter mächtige Schichtenfolge wegen ihrer Widerstandsfähigkeit als steiler Anstieg besonders landschaftsprägend ist. ...

(Siehe auch Text im Kapitel "Geologie" beim Thema "Landeskunde" des Kreismedienzentrums Böblingen: www.medienzentrum-bb.de) – red.


Anlagen zum Thema:
„Ganz alleine 40 Kubikmeter Sand bewegt“ – Artikel aus der SZBZ vom 10. 04. 2002
Auszug aus der Denkmalbeschreibung des Landesdenkmalamts BW

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