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Weil im Schönbuch>>Der große Brand
Am 9. April 1559 steht Weil im Schönbuch in Flammen

Der große Brand

Quelle: Heimatbuch Weil im Schönbuch – Breitenstein – Neuweiler, hrsg. von der Gemeinde Weil im Schönbuch, 1988, S. 62-64

Autor: Walter Hahn
Die Erinnerung an die unruhigen Zeiten während des Bauernkriegs war noch lebendig, als eine entsetzliche Brandkatastrophe über das Dorf hereinbrach. Was Generationen in unermüdlichem Fleiß aufgebaut und erworben hatten, wurde an einem Tag durch die Flammen zerstört.

Brand

Bild: Dorf in Flammen. Kupferstich, 1799. Vom Großen Brand in Weil im Schönbuch gibt es keine bildliche Darstellung. (Bild: Pictura Paedagogica Online) - klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

Das Osterfest war vorüber und Sonntag Misericordias Domini stand auf dem Kalender. Die Einwohner feierten Kirchweih und wer nicht krank, zu alt oder zu gebrechlich war, vergnügte sich bei Tanz, Spiel und Wein.

Die fröhliche Stimmung wurde jäh unterbrochen, als Brandgeruch über das Dorf wehte. Man eilte zur Brandstätte um zu löschen. Kaum hatten die Wasserträger die ersten Ketten zu den Ziehbrunnen und zum Steigbrunnen mit Eimern und Gölten gebildet, brachen neue Brände an den anderen Enden des Dorfes aus. Die Flammen sprangen rasch über die strohgedeckten Dächer, an denen man festgehalten hatte, weil sie gegen Wind, Regen und Kälte Schutz boten.

Alle waren auf den Beinen, aber das Wasser wollte nicht reichen. Wo sollte man zuerst löschen, wem zuerst helfen? Bald standen ganze Häuserreihen in Flammen. Niemand konnte das Geschehen begreifen. Panik brach aus. Jeder eilte seinem Anwesen zu. Die Kranken, die Gebrechlichen und die Kinder brachte man in Sicherheit, wer nicht gehen konnte, mußte getragen werden. Während des Brandes versuchten viele, ihren geretteten Besitz in der Kirche zu lagern. Auch der Pfarrer Johannes Dürnauer ließ seinen Hausrat, seine Bücher, Urkunden und Schriften in die Kirche tragen. Doch das Feuer griff auch auf die Kirche über. Noch nach Tagen fand man im Schönbuch und in den benachbarten Dörfern Blätter von Büchern und Schriften, die von der Hitze davongetragen wurden. Vermutlich hat das Pfarrhaus weniger Schaden erlitten, denn der Chronist berichtete „... und ist dem Pfarrhaus khein Schad widerfahren, hett er nichts geflohet, war er ohne Schaden davohn kommen“.1*

Am Abend waren 111 Hofstätten niedergebrannt. Noch nach Tagen brachen immer wieder kleinere Brände aus. Eine schreckliche Zeit begann für die Einwohner, denn sie waren ärmer als je zuvor. Aus den Resten ihrer Ruinen bauten sie die ersten Notunterkünfte für Mensch und Vieh. Pfleghof und Pfarrhaus scheinen die wenigen Gebäude gewesen zu sein, die nur geringfügigen Schaden erlitten hatten.

Der Wiederaufbau des Dorfes erstreckte sich über 20 Jahre. Neben dem ehemaligen Gasthaus zum Adler in der oberen Halde stand ein Torbogen mit der Jahreszahl 1558. Vor dem Brand bildete der Bogen einen Teil der Hofanlage, die in dem genannten Jahr erbaut wurde und im folgenden Frühjahr 1559 dem Brand zum Opfer fiel. Das Haus des Wagners Preisendanz trägt als Baujahr die Zahl 1559 und das ehemalige Rathaus 1568.

Es ist nur ein kleiner, eingeklebter Zettel in der Einbanddecke des ältesten Taufbuches aus dem 17. Jahrhundert erhalten, der uns in einem Satz von der Katastrophe berichtet: „Anno 1559, den 9.Aprilis an der Kirchweih ist von Enderlin Seitzen an 4 Orten allhie Feuer eingelegt, davon der Fleck angezündet und hundert und elf hofstell abgebrannt, auch die Kirch, Pfarr-und Rathaus eingeäschert worden.“2*

Einzelheiten über diese katastrophale Feuersbrunst und über ihren Verursacher erfahren wir aus der Handschriftensammlung des Magisters Jakob Andreae, der in den Jahren 1561 bis 1574 Pfarrer in Tübingen-Hagelloch war. … Das Dorf wurde an jenem Kirchweihtag von Enderlin Seytz angezündet. Ob er aus Weil im Schönbuch stammte, ist nicht bekannt. Später wurde er in Hechingen gefangengenommen. Außer der Brandstiftung in Weil wurden ihm auch noch einige Morde zur Last gelegt. (...)

Der im 1616 neu angelegten Taufbuch erfolgte Eintrag, das Pfarrhaus sei abgebrannt, ist nach den Aussagen des damaligen Ortspfarrers nicht richtig. Das alleinstehende Pfarrhaus war wohl am wenigsten gefährdet. Über den Grad der Zerstörung der Kirche gibt es keine Einzelheiten. Es ist aber anzunehmen, daß es sich bei dem massiven Mauerwerk der Kirche nur um den Brand der Dächer, den Einsturz der Decke im Chor und im Kirchenschiff und um die Zerstörung der Inneneinrichtung handeln konnte. Die Außenwände blieben stehen, da über dem Hauptportal das Baujahr der Kirchenerweiterung 1508 erhalten blieb. (...)

Bis über den l. Weltkrieg hinaus berichtete die ältere Generation von der großen Feuersbrunst, so verheerend war das Unglück für das gesamte Dorf. Über den Brandstifter Enderlin Seitz erzählte man sich noch manche Geschichte. So sei er während des Brandes nicht nur unter der Brücke am See gelegen, während die Breitensteiner und Neuweiler zur Brandstätte liefen, sondern sei auch oben am Hauberg gesehen worden. Er hätte auf seiner Geige gespielt und dazu gesungen: „Enderle Seitz hot Weil a'brennt, o wia brennt des Weil so schö'. Wenn des et guat für d'Wanze ischt, no woas i et, was besser ischt.“

1

Zitat aus dem Bericht des Magisters Jakob Andreae, von 1561-1574 Pfarrer in Hagelloch bei Tübingen.

2

Evangelisches Pfarrarchiv Weil im Schönbuch, Tauf-Ehe- u. Totenbücher seit 1616



Der Text wurde gekürzt

Mit freundlicher Genehmigung der Gemeinde Weil im Schönbuch

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