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Der große Brand von 1837

 

Autor: Harald Schaber, Arbeitskreis GESCHICHTE VOR ORT
Am 30. Juni 1837 wurde Rutesheim von einer großen Brandkatastrophe heimgesucht. Der Brand brach gegen 14.30 Uhr in einer Scheune gegenüber des Pfarrhauses aus. Als Brandursache wird eine Selbstentzündung des Heus vermutet. In wenigen Stunden wurde das halbe Dorf zerstört.

Bild: Ortsplan von Rutesheim zur Zeit des großen Brandes 1837. Die in rot gedruckten Gebäude wurden zerstört. (Bild: Heimatbuch Rutesheim, 1970, S. 249) – Klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

Es war ein heißer Tag und das Feuer breitete sich schnell in südlicher und östlicher Richtung aus. Viele Leute waren zu dieser Zeit auf ihren Wiesen bei der Heuernte, als sie die Flammen sahen. Erst am späten Abend konnten diese eingedämmt werden. Zum Glück gab es keine Toten und auch keine schwerer Verletzten. Während der Feuersbrunst wurde sogar ein neuer neuer Bürger geboren.

Der große Brand hinterließ im Ortsbild tiefe Narben: Das halbe Dorf brannte ab. Das Rathaus, 67 Wohngebäude, 41 Scheunen und verschiedene Nebengebäude wurden ein Raub der Flammen. Die Not der Menschen, die ihr Hab und Gut verloren hatten, war groß. Rund die Hälfte der 1.065 Einwohner Rutesheims (121 Familien) hatte nach dem Brand kein Obdach mehr. Viele der Obdachlosen kampierten zwei bis drei Tage auf dem Feld. Später zogen die abgebrannten Familien in die stehengebliebenen Häuser, so dass nun manchmal bis zu 25 Personen in einem Haus lebten. Auch die Schule wurde belegt, der Unterricht wurde bis zum Herbst in der Kirche abgehalten.

Ganz Württemberg spendete für die Abgebrannten von Rutesheim.

Die Herausgeber des Schwäbischen Merkurs, Karl und Dr. Emil Elben, organisierten mit der nachstehenden Anzeige eine eindrucksvolle Hilfskampagne:

„Wo die Not groß ist, ist schnelle Hilfe am wohltätigsten. Wer die traurigen Beschreibungen der Augenzeugen dieses Unglücks hörte, wie die armen Leute mit ihren Kindern mit wenig oder keiner geretteten Habe auf dem Felde lagerten, wird sich gewiß zum Geben angeregt fühlen. Da jedoch nicht jedem Einzelnen sichere Gelegenheit zu Gebote steht, seine Gaben sogleich an ihren Bestimmungsort zu bringen, so erbieten wir uns, Gaben für die Abgebrannten in Empfang zu nehmen und gewissenhaft und schleunigst an die Obrigkeit in Rutesheim zur Verwendung zu befördern.“

Karl und Dr. Emil Elben wurden aufgrund ihres großen Einsatzes die beiden ersten Ehrenbürger von Rutesheim. Die Elbenstraße wurde nach ihnen benannt.

Bild links: Ortsplan von Rutesheim nach dem Wiederaufbau 1845. Gerade breite Straßen prägen den neu aufgebauten Ortsteil. (Bild aus: H. Vinçon, Stadtchronik Rutesheim, 2008, S. 69). Klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

Der Wiederaufbau dauerte über ein Jahr und geschah nach dem Ortsplan des Kreisbaurats Abel aus Ludwigsburg. Um das Überspringen von Flammen zu vermeiden, schlug er breite, rechtwinkelig angelegte Straßen und Feuergassen vor. Neu gebaut wurden die Pfarrstraße, von ihr zur Flachter Straße hin abzweigende Seitenstraßen und die Seestraße. Dieser Ortsplan bestimmt bis heute das innerstädtische Erscheinungsbild von Rutesheim. Der Wiederaufbau so vieler Häuser gelang mit dem Holz aus dem Forchenwald. Rund 50 Festmeter Holz benötigte man damals für den Bau eines Hauses oder einer Scheune. Insgesamt schlug man rund 10.000 Fm Holz für den Wiederaufbau. Bereits im März 1839 bepflanzte man das abgeholzte Gebiet jedoch neu mit Bäumen. Die Gebäude Seestraße 24 und Kirchstraße 28 tragen über dem Türstock die Jahreszahl 1837 mit den Anfangsbuchstaben der Namen ihrer Erbauer.

Bild rechts: Türstock vom Gebäude Kirchstraße 28 mit der Jahreszahl 1837 und den Initialen der Erbauer. - Für eine Gesamtansicht klicken Sie bitte in das Bild

Der Ortspfarrer Breitschwerdt notierte 1839 folgenden Eintrag in seine Chronik: „Das Laster der Unzucht trat 1839 grell hervor. Die zuchtlosen Handwerksleute, welche bei dem Ortswiederaufbau halfen, haben ein trauriges Andenken hinterlassen (11 unehelich Geborene)."
Mit freundlicher Genehmigung des Arbeitskreises GESCHICHTE VOR ORT

Literaturhinweis

In Form von Quellen und Beschreibungen in den Ortschroniken ist der Rutesheimer Brand von 1837 gut dokumentiert. Eine Besonderheit ist jedoch das Buch „Der große Brand von Rutesheim“ von Mechthild Hagemeier-Beck. Die Leiterin der Christian-Wagner-Bücherei in Rutesheim verfasste 2008 ein Buch für Kinder, das beschreibt wie die drei zehnjährigen Freunde Anna, Hans und Peter die Katastrophe überstehen und den Wiederaufbau des Ortes erleben. Für eine kurze Leseprobe klicken Sie bitte hier

Noch bis weit ins 20. Jahrhundert stellten Brandkatastrophen eine ständige Bedrohung für Städte und Gemeinden dar. Seitens der Obrigkeit versuchte man durch vielerlei Baubestimmungen, die Brandgefahr einzudämmen und die Gemeinden wappneten sich durch die Anlage von Löschwasserteichen und die Einrichtung von Feuerwehren. Auf zeitreise-bb finden Sie zu diesem Thema noch weitere Artikel unter:

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