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Sindelfingen>>Wirtschafts-/Sozialgesch.>>IBM>>IBM-Geschichte - Teil 1

Die IBM im Kreis Böblingen

Teil 1: Die DEHOMAG und der Beginn der Datenverarbeitung in Sindelfingen

Autoren: Klaus Philippscheck / Susanne Schmidt (unter Verwendung der Daten der „Kleinen Chronik der IBM Deutschland“)

Bild: Lochkarte der Deutschen Hollerith-Maschinen Gesellschaft mbH, kurz „DEHOMAG“, zur Durchführung der ersten auf diesem Verfahren basierenden Volkszählungen im Deutschen Kaiserreich im Jahre 1910. (Foto: IBM Bildarchiv Deutschland)

Berlin 1910. Vier Jahre vor Beginn des Ersten Weltkrieges entsandte der Amerikaner Herman Hollerith - Erfinder der erfolgreichen Lochkartenmaschine zur Informationsverarbeitung1* und Gründer der "Tabulating Machine Company" (1896) - den Ingenieur R. Williams nach Deutschland. Williams hatte den Auftrag, hier eine Gesellschaft zum Erwerb seiner Patente und den Vertrieb der Hollerith-Maschinen aufzubauen. Mit einem Kapital von 120 Reichsmark wurde am 30. November 1910 in Berlin die Deutsche Hollerith-Maschinen Gesellschaft mbH, kurz „DEHOMAG“ gegründet.

Kurz darauf führten die damaligen Länder Württemberg, Elsaß-Lothringen, Baden, Sachsen und Preußen ihre Volkszählung bereits mit dem Lochkartenverfahren durch. Auch die deutsche Industrie entdeckte schnell den kaufmännischen Nutzen eigener Lochkartenabteilungen und schon bald las sich die Kundenliste der DEHOMAG wie ein „Who is Who“ der deutschen Wirtschaft: Bayer in Elberfeld, Hoechst in Frankfurt am Main, BASF in Ludwigshafen, AEG, Siemens-Schuckert und Osram in Berlin sowie Brown-Boveri in Mannheim.

Während 1914 in den USA der berühmte Thomas J. Watson sen. Präsident der "Computing Tabulating Recording Company" (CTR) wurde, zählte die Berliner DEHOMAG mittlerweile 23 Mitarbeiter und setzte mit immerhin 44 Kunden im Kaiserreich 250 000 Mark um. Im Ersten Weltkrieg zählte sie zu den kriegswichtigen Betrieben. Allerdings versiegten die amerikanischen Belieferungsquellen und man musste sich selbst versorgen. 1918 wurde in Villingen das erste eigene Werk der DEHOMAG eröffnet. Bis dahin waren nur importierte Maschinen vertrieben worden.

1922 stieg Watsons „CTR“ bei der DEHOMAG ein und seit 1924 führte die „CTR“ den Geschäftsnamen "International Business Machines Corporation" (IBM). Auch in Deutschland kam nun die erste Tabelliermaschine mit Postenschreibung (aus Lochkarten) und Summenschreibung (aus Zählern) auf den Markt.

Bild: Nach dem Ersten Weltkrieg war aus der Maschinenfabrik Kabisch die Firma Optima hervorgegangen, die zunächst Waagen, ab 1927 Locher und Prüfer produzierte. 1934 übernahm dann die DEHOMAG den Bereich, nachdem sich schon zuvor eine Schwestergesellschaft an der Optima-Fabrik beteiligt hatte. (Foto: Stadtarchiv Sindelfingen)

Beginn der Datenverarbeitung in Sindelfingen
In Sindelfingen hatte man bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht viel von diesen revolutionären Entwicklungen gehört. Die Lochkarten waren allerdings in dem kleinen Weberstädtchen durchaus ein Begriff, hatte man sich hier doch auf die Jacquardweberei, die mit Lochkarten arbeitet, spezialisiert. Aber im Jahre 1927 begann dann auch in Sindelfingen das Zeitalter der Datenverarbeitungs-Produktion. Im Süden der Stadt, unweit des Böblinger Flughafens, lag die Optima Maschinenfabrik AG. Sie war Nachfolgerin der Firma Kabisch, die hier Maschinen und Webutensilien produzierte. Und hier wurde nun Schritt um Schritt dazu übergegangen, neben Waagen auch Locher, Prüfer und Ersatzteile für Lochkartenmaschinen herzustellen. Denn das Optima-Werk, in dem auch eine Weberei zu finden war, war mit der DEHOMAG eine Kooperation eingegangen. 1932 verließ die letzte Optima-Waage das Sindelfinger Werk. Im Juli 1934 wurde die Maschinenfabrik offiziell aufgelöst und von der Deutschen Hollerith als Abteilung „Werk Optima – Sindelfingen“ übernommen. Damals wurden also die Grundlagen dafür gelegt, dass Sindelfingen nach dem Zweiten Weltkrieg lange Zeit zum Mittelpunkt der dann unter dem Namen „Internationale Büro-Maschinen“ (IBM) firmierenden US-Gesellschaft wurde.

Niederlassungen der DEHOMAG wurden bald auch in Bielefeld, Breslau und Nürnberg eingerichtet. Als in Berlin eine zweite Niederlassung für Behörden entstand, gab es in Deutschland nun 11 „Hollerith-Niederlassungen“.

Bild: 1936 übernahm die DEHOMAG das alte Fabrikgebäude der Strumpfstrickerei Entreß an der Sindelfinger Bahnhofstraße 43 und nutzte es als Lochkartendruckerei. Heute ist hier das Haus zur Geschichte der IBM-Datenverarbeitung untergebracht. (Foto: IBM Bildarchiv Deutschland) – Für eine aktuelle Ansicht des Gebäudes aus dem Jahre 2003 klicken Sie bitte hier

1936: Das D11-Zeitalter beginnt
Ein neues Zeitalter in der Datenverarbeitung begann schließlich im Jahre 1936. Damals kam in Deutschland die schalttafelgesteuerte Tabelliermaschine „D11“ auf den Markt. Die „D11“ konnte alle 4 Grundrechenarten ausführen und war weitgehend programmierbar.

1936 übernahm die DEHOMAG das Gebäude der Sindelfinger Strumpfweberei Entreß und nutzte es als Lochkarten-Druckerei. In Sindelfingen wurden nun auch Druckpressenmaschinen gefertigt, die bisher aus Amerika importiert werden mussten. Zusätzlich entstand in Sindelfingen auch eine Lehrwerkstatt für metallverarbeitende Berufe.

Die bisher größte Unternehmung der DEHOMAG fand schließlich im Mai 1939 statt. Bei der "Großdeutschen Volkszählung" wurden 22 Millionen Haushalte in Deutschland, Österreich, dem Sudentenland und dem Saarland erfasst. Über 90 Millionen Lochkarten kamen zum Einsatz. Zweifellos erlebte die Datenverarbeitung damit einen spektakulären Höhepunkt. Doch war die Volkszählung von 1939 noch in anderer Beziehung ein denkwürdiges Ereignis: Auf einer sog. "Ergänzungskarte" ließ die nationalsozialistische Reichsregierung nun auch die „rassischen Merkmale“ jedes Haushalts statistisch erfassen. Das totalitäre Überwachungssystem des 3. Reiches erreicht damit einen bisher unerreichten Grad der Perfektion.

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Mit Hilfe der von Hollerith entwickelten Lochkarten-Technologie gelang den USA, bei der Volkszählung von 1890 die schnellste statistische Erfassung ihrer Bevölkerung aller Zeiten. Vermittelt durch eine Reihe von gestanzten Löchern, erfasste jede Karte das Geschlecht, die Religion, die Nationalität und den Besitz eines Individuums.


Weitere Informationen zur Geschichte der IBM im Kreis BB finden sie bei zeitreise-bb unter:

Die IBM im Kreis Böblingen - Teil 2: Das Sindelfinger Werk von der Nachkriegszeit bis zum Ende der IBM-Ära
Die IBM im Kreis Böblingen - Teil 3:
Der Standort Böblingen – vom Klemmbau zur „Denkfabrik im Grünen"
Der IBMer – ein Nachruf
Karl Ganzhorn

Internet-Links:
IBM
Kleine Chronik der IBM Deutschland
Computer History Online
Meilensteine der IBM-Geschichte
Heinz Nixdorf MuseumsForum Paderborn

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