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Grenzstein-Projekt von Sommerhofen-Viertklässlern:

Ehrlich und gerecht für die Armen wie für die Reichen

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Quelle: Kreiszeitung Böblingen, 20. Juni 2007

Autor: Werner Held
Die Untergänger streifen durch den Wald, den Blick auf Wegränder, Gräben und andere Auffälligkeiten im Gelände gerichtet. "Hier!", ruft Zeuge Dennis. "Hier steht einer!" Der Viertklässler der Grundschule Sommerhofen hat einen Grenzstein gefunden, der früher die Gemarkung der Stadt Sindelfingen vom Besitz des Hauses Württemberg schied.

Mitglieder der Initiative "Kultur am Stift" und des Schwäbischen Heimatbunds haben 250 Grenzsteine rund um Sindelfingen gefunden und ihre historische Bedeutung ergründet. Die Klasse 4 a der Sommerhofenschule hat das Thema aufgegriffen und wie früher die Siebener-Kommissionen einen Umgang gemacht, um den Zustand der Grenzsteine zu bewerten.

Beim Ausmessen

Bild: Beim Ausmessen der Entfernungen zwischen zwei Grenzsteinen. (Foto: Klaus Philippscheck)

Grenzsteine stammen aus einer Zeit, als es noch keine (verlässlichen) Landkarten gab. Die Markierungen im Gelände waren die einzigen Anhaltspunkte dafür, um Besitztümer voneinander abzugrenzen. Deshalb wurden die Steine Jahrhunderte lang auch sorgsam überwacht und gehegt.

In der Regel waren die Grenzsteine rund um Sindelfingen aus Sandstein, erzählt Klaus Philippscheck von der Initiative "Kultur am Stift", der sie gemeinsam mit Horst Weber vom Schwäbischen Heimatbund erforscht hat. Sie waren mit dem gewaltigen Fuß, der sie fest in der Erde verankerte, um die anderthalb Meter hoch. Was über dem Boden zu sehen war (und zum Teil heute noch ist), ist nur der kleinere Teil des Steins. Die Steine stehen direkt auf der Grenzlinie. Eine Nut oben, die Weisung, markiert den Grenzverlauf. Die Seiten des Steins tragen Wappen oder andere Kennzeichen der jeweilen Herrschaft oder die „Fleckenzeichen“ der Ortschaften. Damit die Steine nicht in frevlerischer Absicht heimlich versetzt wurden, waren sie durch Zeugen doppelt gesichert: zum durch menschliche Zeugen, die sich beim Setzen des Steins dessen Lage genau einprägen mussten; zum anderen durch materielle Zeugen, Tonscherben, später extra gebrannte Tontäfelchen, deren Lage nur die Mitglieder der Siebener-Kommissionen kannten, die die Steine überwachten.

Rund 600 Grenzsteine müssen einst Sindelfingen umgeben haben. 150 von ihnen haben Klaus Philippscheck und Horst Weber nach teils mühevoller Suche gefunden. Weitere 100 Steine, die sie entdeckten, markierten früher den Besitz der einst selbstständigen Orte Maichingen und Darmsheim.

Ein versunkener, zerbrochener Grenzstein

Bild: Ein versunkener, zerbrochener Grenzstein ist gefunden worden: Der Stein Nr. 71. (Foto: Klaus Philippscheck)

Und dass Michael Prandhoff, der stellvertretende Leiter der Sommerhofenschule, das Thema mit seiner Klasse aufgreift, freut sie besonders. Am Wassertretbecken beim Präzeptor- Brünnele im Sommerhofental werden zwei Siebener-Kommissionen vereidigt. Die Viertklässler schwören, dass sie ehrlich und gerecht urteilen wollen "für die armen Leute wie für die reichen". Unregelmäßigkeiten, die sie entdecken, wollen sie der Stadt Sindelfingen melden. Dann ziehen Vorsitzender, Weisungsmeister, Vermesser, Ratschläger, Gutachter, Zeichner, Flecken- und Zahlenmeister, Schreiber, Maßgesellen und Zeugen los und machen sich im Teufelsloch auf die Suche.

Dass dort - mitten im heutigen Stadtgebiet - Grenzsteine stehen, liegt daran, dass der Walddistrikt Winterhalde bis 1960 dem Land gehörte.

Der Stein Nummer 65

Bild: Der Stein Nummer 65 der Winterhaldenversteinung – mit Jahreszahl 1701. (Foto: Klaus Philippscheck)

Die Stadt hat ihn seinerzeit gegen ein anderes Waldstück eingetauscht, damit sie das Freibad bauen konnte. Jenseits des Weges, der dort heute verläuft, war für die Sindelfinger früher Ausland, das sie nicht ohne Weiteres betreten durften. Am Teufelslochweg hoch zum Westeingang des Freibads entdeckt die Kommission unter dem Vorsitzenden Kai Grenzsteine. Die Untergänger marschieren bis zum Burghaldenfriedhof. Der Stein, den sie dort finden, ist der erste, den sie aufnehmen. Zeichner Paul hält ihn im Bild fest. Schreiberin Dilan führt Protokoll. Der Stein ist 21 Zentimeter lang, 15 Zentimeter breit und ragt 40 Zentimeter aus dem Boden. Er ist ein Läufer, ein Grenzstein mit gerader Weisung, wie früher alle 50 Meter einer stand. Die Weisung ist noch gut erkennbar. Auch die drei übereinander liegenden Hirschstangen, das Wappen der Grafen von Württemberg, und das Kreuz, das das Besitztum der Stadt Sindelfingen kennzeichnet, sind zu sehen. Schwerer tut sich der Fleckenmeister mit dem Entziffern der Nummer, die der Stein trägt. Erst als Klaus Philippscheck die Einkerbungen mit einer farbigen Kreide nachzieht, kann er eine 40 lesen. Die Kommission kommt überein, der Stadt vorzuschlagen, die Fleckenzeichen an diesem Stein deutlicher hervorzuheben. Das Protokoll wird unterschrieben. Die Untergänger ziehen zum nächsten Stein weiter. Sie nehmen Grenzstein für Grenzstein auf, bis das Pensum für diesen Tag abgearbeitet ist.
Wir danken der Kreiszeitung und dem Autor für das Abdruckrecht.

Eine interessante Bilderreise auf den Spuren der Grenzsteine um Sindelfingen herum (Autor und Gestaltung: Klaus Philippscheck) kann hier folgend angeklickt werden. Sie führt zu den wichtigsten noch stehenden Steinen und informiert über historische und kulturhistorische Aspekte, sowie vielerlei Besonderheiten. Bitte klicken Sie die Reise, die 37 animierte Seiten umfasst, an:

Für Internet-Explorer: Flash-Version für andere Browser (Download Flash Player): Die Initiative „Kultur am Stift Sindelfingen“ hatte zum Thema „Einsamkeit und Poesie der vergessenen Grenzsteine“ eine Ausstellung konzipiert. Diese ist im Jahr 2007 an mehreren Orten gezeigt worden. Das gesamte Material der Ausstellung, das sich auf den Kreis Böblingen bezieht, ist auf einer CD gesammelt, die beim Kreismedienzentrum ausgeliehen werden kann.

Beachten Sie bitte auch weitere Seiten zum Thema bei "zeitreise-bb":

- Von alten Marksteinen, Marksteinzeugen und Untergängern in Sindelfingen
- Grenzsteinprojekt Sindelfingen (dabei auch eine Grenzstein-Rundreise um Sindelfingen!)
- Die Funktion der "Fleckenzeichen" auf den Grenzsteinen
- Die Grenzsteine Gärtringens
- Grenzsteine erzählen Geschichte: Die Weissacher "Fischsteine"
- Grenzsteine erzählen Geschichte: Die Steine um Sindlingen herum
- Grenzsteine erzählen Geschichte: Die Merklinger Jagdsteine
- Grenzsteine erzählen Geschichte - Beispiel: Die Steinenbronner Mühlennachbarn"

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